Drei Leitthemen beschloss der neu gewählte Vorstand des Landesfrauenrats Baden-Württemberg (LFR) auf seiner Klausurtagung für seine Legislaturperiode bis zum Ende des Jahres 2014. An erster Stelle steht eine differenzierte und kritische Auseinandersetzung mit dem Armutsrisiko für Frauen. „Es sei nicht hinnehmbar, dass ein wirtschaftlich prosperierendes Bundesland wie Baden-Württemberg in Fragen der von Armut betroffenen Frauen nicht mehr Engagement zeigt“, so die Vorsitzende Angelika Klingel. Hier gilt es für die nächsten Jahre in Anlehnung an den Gleichstellungsbericht der Bundesregierung eine sorgfältige Analyse vorzunehmen und in der Konsequenz wirksame und spezifische Instrumente zu entwickeln. Diese müssen nicht nur dem Armutsrisiko für Frauen präventiv entgegenwirken, sondern auch den derzeit von Armut betroffenen Frauen konkrete Unterstützung und Hilfestellungen bieten.
„Arm dran statt gut versorgt“ seien Frauen auch im Bereich Gesundheit, formuliert die 2. Vorsitzende Marie–Luise Linckh, einen weiteren Schwerpunkt. Obwohl viele Leistungen in Gesundheit und Pflege mehrheitlich durch Frauen erbracht werden, sei es in der professionellen Pflege oder in der privaten Versorgung von Familienangehörigen, sind sie doch durch die Rahmenbedingungen des herrschenden Gesundheitssystems vielfach benachteiligt. So erhalten Frauen z.B. häufig veraltete Medikamente mit auffälligeren Nebenwirkungen; Symptome z.B. für Herzinfarkte werden später oder nicht rechtzeitig erkannt, da eine geschlechterdifferenzierte Diagnose weiterhin nur selten vorgenommen wird. Die derzeitige Struktur des Gesundheits- und Pflegesystems ist auf die Erbringung privater Pflegeleistungen angewiesen, erst recht vor dem Hintergrund des demographischen Wandels. „Trotzdem ist es ein beschämendes Ergebnis, wenn statistisch belegbar sei, dass Frauen im Schnitt 8 Jahre andere Personen pflegen, selbst jedoch nicht gepflegt werden“, so Klingel.
Ein weiteres Armutszeugnis bietet auch ein Blick auf die Besetzung von Führungsfunktionen mit Frauen. Obwohl die heutige Frauengeneration über die besten Qualifikationen verfügt, ist die Repräsentanz in entsprechenden Funktionen ungenügend. Dies betrifft nicht nur den Bereich der Wirtschaft sondern auch die Politik. „Wenn Frauen weiterhin in diesem Ausmaß von der Gestaltung ihrer Rahmenbedingungen in der Erwerbstätigkeit ausgeschlossen werden, in nahezu allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens an „Gläserne Decken“ stoßen, ist es nur eine logische Folge, dass sich bezüglich der Umsetzung längst im Grundgesetz verankerter Gleichstellung nur wenig verändert“, bilanziert Vorstandsfrau Claudia Sünder. Fachkräftemangel trotz qualifizierter Frauen, Barrieren im beruflichen Wiedereinstieg, Entgeltungleichheit, Karriereknick durch Familienphase – diese Schlagworte der Benachteiligung begleiten die weibliche Erwerbstätigkeit und verhindern Gleichstellung. Um angemessene politische Partizipation für Frauen zu ermöglichen, engagiert sich der Landesfrauenrat – übrigens bereits seit 1975 – und fordert eine Veränderung des Kommunalwahlrechts in Baden-Württemberg in Anlehnung an das Beispiel des französischen Parité-Gesetzes.