– Gender Mainstreaming ist notwendiges Instrument für die Entwicklung demokratischer Geschlechterverhältnisse
– Akzeptanz sexueller Vielfalt und geschlechtlicher Identität
Beschlossen von der Delegiertenversammlung des Landesfrauenrats am 16. Mai 2014 in Stuttgart
Mit Empörung stellt der Dachverband der Frauenverbände des Landes fest, dass die Veranstalter der aktuellen Protestaktionen gegen die Bildungspläne Baden-Württemberg mit ihrem Angriff zugleich auf Errungenschaften der Frauen- und Emanzipationsbewegung zielen und auf einen Kern europäischer Gleichstellungspolitik.[1]
Durch die sprachliche Verbindung[2] der Strategie der Geschlechtergerechtigkeit mit einer „Sexualisierung“ von Kindern werden antifeministische Ressentiments, antieuropäische Strömungen und diffuse Ängste vor früher kindlicher Sexualität verknüpft:
Das Europäische Konzept des Gender Mainstreaming, Frauenbewegung und Aufklärung werden hier zum Feind der Vater-Mutter-Kind-Familie erklärt, sie gefährdeten den vermeintlich letzten geschützten Raum für das Aufwachsen von Kindern.
Wir sehen in der Verbreitung derartigen Gedanken-„Guts“ eine große Gefahr für die Entwicklung einer demokratischen, aufgeklärten und geschlechtergerechten BürgerInnengesellschaft.
Demonstrationen gegen den Bildungsplan 2015 dienen rückwärtsgewandten Parteien und Strömungen offenbar auch als Katalysator für eine antifeministische Mobilisierung[3] und sind vor der Europa-Wahl möglicherweise auch Teil eines parteipolitischen Kalküls.
Dem muss in Worten und Taten – durch die Medien, die gesellschaftlichen Organisationen und die Landesregierung – deutlich begegnet werden.
Wir fordern insbesondere die Landesregierung und die großen gesellschaftlichen Organisationen im Land auf, das Prinzip des Gender Mainstreaming deutlich zu vertreten und sichtbar umzusetzen.
Wir erinnern daran, dass die Europäische Union Gender Mainstreaming 1997 im Amsterdamer Vertrag als verbindliche Aufgabe für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union festschrieb.
Sie definierte:
„Gender-Mainstreaming bedeutet, dass in allen Phasen des politischen Prozesses – Planung, Durchführung, Monitoring und Evaluation – der Geschlechterperspektive Rechnung getragen wird. Ziel ist die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern. Nach dem Gender-Mainstreaming-Konzept sind politische Maßnahmen stets daraufhin zu prüfen, wie sie sich auf die Lebenssituation von Frauen und Männern auswirken, und gegebenenfalls neu zu überdenken. Nur so kann Geschlechtergleichstellung zu einer Realität im Leben von Frauen und Männern werden. “
Wir erinnern die Landesregierung an ihre von ihren Vorgängerregierungen übernommene Selbstverpflichtung zur Implementierung von Gender Mainstreaming in der baden-württembergischen Landesverwaltung (aus 2002). Ministerien und die anderen Landesbehörden sind verpflichtet, im Rahmen ihrer fachlichen Arbeit den auf Chancengleichheit abzielenden Ansatz des Gender Mainstreaming umzusetzen. Dies betrifft auch die Bildungspolitik.
Europa ist gerade in Deutschland ein Motor für Gleichstellungspolitik. Im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament müssen alle demokratischen Kräfte dies deutlich und laut sagen.
Politik für die Akzeptanz geschlechtlicher Identität, sexueller Vielfalt und für gleiche Rechte
Der Landesfrauenrat spricht sich ausdrücklich dafür aus, dass Staat und staatliche Bildungspolitik die gesellschaftliche Akzeptanz sexueller Vielfalt befördern.
Kinder und Jugendliche haben bei der Entwicklung ihrer eigenen sexuellen Identität und ihren Vorstellungen von Familien ein Recht auf vorurteilsfreie Information und auf ein pädagogisches Umfeld in der Schule, das ihre emotionale Sicherheit stärkt.
Schule muss dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche einen vorurteilsfreien Umgang mit der eigenen und anderen sexuellen Identitäten entwickeln und Stereotype von Geschlechterrollen kritisch hinterfragen können. Bildung muss eine geschlechtersensible Sexualaufklärung für alle Mädchen und Jungen selbstverständlich enthalten.
In den Unterricht an den allgemeinbildenden Schulen des Landes und in die Bildungspläne gehören deshalb die Themenfelder biologisches Geschlecht, historisch/gesellschaftlich definierte Geschlechterrollen und auch die Strategie des Gender Mainstreaming. Lehrkräfte an den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen müssen dazu entsprechend in ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Weiterqualifizierung befähigt werden.
[1] Bericht der EU-Kommission zur Gleichstellung 2010
„ohne Gleichstellung rücken Ziele wie nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Zusammenhalt in weite Ferne. (…) Da sich die Gleichstellung von Frauen und Männern als Schlüssel zur dauerhaften Lösung alter wie neuer Probleme erwiesen hat, ist es wichtig, dass das Thema Gleichstellung ein Kernelement der EU-Strategie für 2020 bleibt. Gleichstellungsmaßnahmen sollten deshalb nicht als kurzfristiger Kostenfaktor, sondern als langfristige Investition betrachtet werden.“
[2] Siehe z.B. Demo-Transparente des „Bündnis Familienschutz“: „Gender-Mainstreaming und Sexualisierung der Kinder per Bildungsplan“ Hinter dem “Bildungsplan 2015″ stehe die Ideologie des “Gender Mainstreaming” und der Frühsexualisierung.
[3] Siehe die Expertise der Friedrich-Ebert-Stiftung: Andreas Kemper; Keimzelle der Nation? Familien- und geschlechterpolitische Positionen der AfD – eine Expertise in http://library.fes.de/pdf-files/dialog/10641-20140414.pdf