Pressemitteilung der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten Baden- Württemberg vom 11.12.2014:
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, so lautet der schlichte, aber weitreichende Satz, der nach langem, insbesondere von der Familienrichterin und SPD-Abgeordneten Elisabeth Selbert im parlamentarischen Rat geführten Kampf 1949 als Artikel 3 Absatz 2 in das künftige Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen wurde.
45 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 wurde Artikel 3, Absatz 2 um die Bestimmung ergänzt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Das ist ein aktiver Handlungsauftrag an alle staatlichen Ebenen und eine der wenigen Staatszielbestimmungen im Grundgesetz.
Die Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten Baden- Württemberg (LAG) nimmt das 20-jährige Jubiläum der 1994 vom Bundestag beschlossenen Ergänzung des Gleichberechtigungsartikels zum Anlass, um in Kooperation mit dem Landesfrauenrat Baden-Württemberg im Landtag diesen Meilenstein der formaljuristischen Gleichberechtigung zu würdigen, aber auch Mut und Entschlossenheit einzufordern, das Verfassungsgebot einer aktiven Gleichberechtigungspolitik auch tatsächlich umzusetzen.
69 Weihnachtsmänner und 69 Weihnachtsfrauen empfangen die 138 Abgeordneten – 28 Frauen und 110 Männer (!) – in der Mittagspause, um gleichstellungspolitische Handlungsfelder aufzuzeigen, bei denen die Landesregierung laut eigener Selbstverpflichtung im Koalitionsvertrag noch dringend handeln muss, wenn sie vor allem ihre Wählerinnen nicht enttäuschen möchte. Der Appell richtet sich an alle Abgeordneten.
Folgende Forderungen stehen im Mittelpunkt der LAG und des Landesfrauenrates:
1. Eine ausgewogene Mitwirkung von Frauen und Männern an politischen Entscheidungsprozessen. Bei 28 weiblichen Abgeordneten beträgt der Frauenanteil im Landtag von Baden-Württemberg nur 20,3%. Und auch auf kommunaler Ebene ist das Verhältnis nicht viel besser. „In den Parteien muss endlich ein Umdenken stattfinden. Veraltete Strukturen und Parteikulturen müssen zu Gunsten von mehr Demokratie aufgebrochen werden. Unserer Meinung nach ist die paritätisch besetzte Liste nach dem Reißverschlussverfahren ein modernes Instrument der Erneuerung. Sie birgt enormes Innovationspotential, weil sie Parteien und Fraktionen zwingt, langfristige Konzepte zu entwickeln, wie sich Frauen gleichberechtigt einbringen können“, bekräftigt Diana Bayer, eine der Sprecherinnen der LAG, die Forderung nach einer überzeugenden Wahlrechtsreform auf Landes- und kommunaler Ebene.
2. Die gesetzliche Verankerung der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten ist dringend notwendig. Die vielfältigen Querschnittsaufgaben können nur mit ausreichenden Ressourcen auf personeller, sachlicher und finanzieller Ebene geleistet werden.
3. Mit dem Landesaktionsplan gegen Gewalt existiert erstmals eine vollständige Übersicht des einschlägigen baden-württembergischen Hilfesystems. Ein Maßnahmenkatalog zur weiteren Verbesserung ist erarbeitet. Die Landeskoordinierungsstelle unterstützt die Vernetzung aller Akteurinnen und Akteure in Baden-Württemberg und optimiert die Interventionsketten. Die LAG fordert eine zügige Bereitstellung von ausreichenden finanziellen Mitteln, um den Aktionsplan umzusetzen, kontinuierlich weiterzuentwickeln und konkrete Verbesserungen für alle Beteiligten zu erreichen.
4. Eine Neufassung des Prostitutionsgesetzes ist auch von Länderseite anzustreben. Die kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten sind vor Ort mit einem in dieser Form neuen und sich zuspitzenden Problemzusammenhang von Menschenhandel, sexueller Gewalt und Zwangsprostitution konfrontiert. Zwar wird über die Novellierung des Prostitutionsgesetzes auf Bundesebene entschieden. Doch stehen die Landesparteien in der Pflicht, sich in Berlin energisch für weitreichende gesetzliche Änderungen einzusetzen.
Es bleibt zu wünschen, dass die von den 138 Weihnachtsfrauen und –männern überbrachte süße Botschaft fruchtet. Baden-Württemberg braucht die Lebenserfahrung und Sichtweisen von Frauen und Männern! Denn: Die Mischung macht’s!