„Stell’ dir vor, die Gleichberechtigung der Geschlechter ist auf der ganzen Welt Wirklichkeit”.
Zur Landtagswahl 2016 – Landesfrauenrat nimmt Parteien unter Beobachtung.
Am Internationalen Frauentag erinnert der Landesfrauenrat an die Millionen von Frauen und Mädchen weltweit, die struktureller und unmittelbarer Männergewalt ausgesetzt werden, deren Lebensumstände lebensbedrohlich sind, die verschleppt, vergewaltigt und ermordet werden.
Die Erste Vorsitzende Manuela Rukavina: „Uns erschrecken und erschüttern zutiefst die Meldungen aus den Kriegs- und Krisengebieten, in denen fanatisierte Männer – auch aus europäischen Gesellschaften – einen Vernichtungswillen gegen Frauen ausleben.
Es ist ein Gebot der Humanität, dass eine sich dem höchsten Gut – den Menschenrechten – verpflichtete Gesellschaft den Opfern der Gewalt Zuflucht und Hilfe bietet, wenn sie in ihren Herkunftsländern keinen Schutz finden. Deshalb begrüßen wir alle Schritte der Landesregierung, in Baden-Württemberg eine Willkommenskultur für Flüchtlinge zu entwickeln. Insbesondere weiblichen Flüchtlingen, die Opfer sexualisierter Gewalt wurden, müssen wir die dringend benötigte Hilfe zukommen lassen.“
Der Dachverband von 51 Frauenorganisationen im Land mahnt, sich bewusst zu machen, wodurch der extremen Gewalt weltweit der Boden bereitet wird: durch Diskriminierung, Abwertung aufgrund des Geschlechts, durch Verweigerung gleichberechtigter Chancen auf Gesundheit, Bildung, existenzsichernde Einkommen und beruflicher und politischer Gestaltungschancen.
Schluss mit Lippenbekenntnissen – auch in Baden-Württemberg
„Das Ziel der Frauenorganisation der UN, die Gleichberechtigung in den Ländern tatsächlich umzusetzen, Frauen weltweit zu stärken und für die Rechte der Mädchen und Frauen zu kämpfen, ist auch unser Ziel“, so Manuela Rukavina. Auch nach Einschätzung der UN Women Directorin, Phumzile Mlambo-Ngcuka, wurde im Rahmen der UN zwar viel Gutes beschlossen, aber viel zu wenig davon konkret umgesetzt: „Die 1995 von der UN-Weltfrauenkonferenz in Peking verabschiedete ‘Platform for Action’ ist ein Versprechen an Mädchen und Frauen, das nicht eingehalten wurde”.
„Dieser Einschätzung müssen wir leider auch in Baden-Württemberg beipflichten. Bei etlichen frauenpolitischen Dauerbaustellen im Land ist in den letzten 20 Jahren kaum ein Fortschritt zu verzeichnen“, stellt die Zweite Vorsitzende Marie-Luise Linckh fest. Nach wie vor werden Frauen schlechter als Männer bezahlt – in Baden-Württemberg beträgt der Gender Pay Gap durch-schnittlich 27 % und sie arbeiten in durchschnittlich schlechteren Beschäftigungsverhältnissen. In Führungspositionen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor sind Frauen immer noch gering vertreten. Hinzu kommt: Gewalterfahrungen sind auch in Baden-Württemberg trauriger Alltag für viele Frauen.
Politik ohne Frauen fehlt die Hälfte der Talente
Gleichberechtigung hat vor allem auch mit Partizipation und Repräsentanz zu tun.
Deshalb nimmt der Landesfrauenrat Baden-Württemberg bereits die Landtagswahlen 2016 in den Blick:
„Die Parteien nominieren aktuell ihre Kandidierenden für den nächsten Landtag. Sie sollten wissen, dass sie dabei unter Beobachtung der Frauenverbände stehen. Wir fragen: Befördern sie Kandidaturen von Frauen, werben sie für die Wahl von Frauen, setzen sie gleichstellungs-politische Themen auf ihre Wahlkampfagenda? Denn das ist das Mindeste, was wir erwarten“, erklärt Rukavina und erinnert an das „Trauerspiel“ um die Reform des Landtagswahlrechts.
Zu einer echten Reform wollte sich auch die derzeitige Regierungskoalition nicht durchringen. Trotz anderslautender Ankündigungen und Parteitagsbeschlüsse wurde das Landtagswahlrecht nicht um eine – mit Frauen und Männern paritätisch zu besetzende – Liste ergänzt, wie sie auch der Landesfrauenrat seit langem fordert.
Es sind nun also wieder die Parteien am Zuge, „freiwillig“ ihrerseits für eine angemessene Vertretung der Frauen bei den Kandidierenden für den künftigen Landtag zu sorgen.
Wegen der Erfahrungen der letzten Jahre zeigt sich der Landesfrauenrat an dieser Stelle nicht optimistisch.
Die 51% weiblichen Wahlberechtigten werden nächstes Jahr schon genau hinschauen und erwarten, dass Baden-Württemberg endlich in Sachen Gleichstellung und politischer Teilhabe einen Schritt nach vorne wagt.
Politik ohne Frauen fehlt die Hälfte der Talente. Dies müssen die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Baden-Württemberg endlich begreifen und beherzigen, resümiert Linckh.