Vor 110 Jahren erhielten Frauen das Recht auf Mitgliedschaft in politischen Vereinen und auf öffentliche politische Betätigung, vor 100 Jahren das allgemeine Frauenwahlrecht.
Von einer gleichberechtigten Partizipation an den politischen Entscheidungen sind Frauen in den meisten Kommunen Baden-Württembergs noch weit entfernt. Mit einem Landesdurchschnitt von 23,9 % (Gemeinderäte) bzw. 18,9 % (Kreistage) sind sie drastisch unterrepräsentiert; mehr als die Hälfte der Gemeinderäte zählte nach der Wahl 2014 im Höchstfall drei Frauen. Und das bei einem weiblichen Bevölkerungsanteil von über 50 Prozent.
Demokratie gebietet, dass möglichst die gesamte Wahlbevölkerung in politischen Gremien angemessen vertreten ist. Auch Gemeinderäte und Kreistage sollen die Gesamtheit der wahlberechtigten Bevölkerung – und dabei Frauen und Männer zu gleichen Teilen – repräsentieren. Gute Politik kann nicht auf die Erfahrungen, Sichtweisen und Kompetenzen von Frauen unterschiedlichen Alters und Herkunft verzichten.
Von Regierungsseite werden weiterhin verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine gesetzliche Verpflichtung zur paritätischen Besetzung der Wahllisten geltend gemacht, wie sie der Landesfrauenrat seit langem fordert.
Die Vertreterinnen der 50 Mitgliedsverbände des Landesfrauenrates und weitere kommunalpolitisch engagierte und interessierte Bürgerinnen Baden-Württembergs appellieren deshalb an die Parteien und Wähler*innenvereinigungen in den Kommunen und Landkreisen Baden-Württembergs:
Sorgen Sie dafür, dass mit der Kommunalwahl 2019 in den Gemeinde- und Kreisräten eine angemessene Repräsentanz der Wahlbevölkerung ermöglicht wird!
Setzen Sie die Soll-Regelung zur Aufstellung von Bewerberinnen und Bewerbern (§ 9, 6 Kommunalwahlgesetz (KomWG) um.
„Männer und Frauen sollen gleichermaßen bei der Aufstellung eines Wahlvorschlags berücksichtigt werden. Dies kann insbesondere in der Weise erfolgen, dass bei der Reihenfolge der Bewerberinnen und Bewerber in den Wahlvorschlägen Männer und Frauen abwechselnd berücksichtigt werden.“
Setzen Sie vorhandene parteiinterne Quoten konsequent um! Dies wird über den Parteienwettbewerb auch den Frauenanteil der anderen Parteien erhöhen.
Schaffen Sie Transparenz, indem Sie die Wahlniederschrift (nach §9,1 KomWG) entsprechend erweitern um paritätsbezogene Angaben wie Anzahl der angetretenen und tatsächlich gewählten Bewerberinnen und Bewerbern zu erfassen.
Überprüfen Sie auch die internen Rekrutierungs- und Nominierungsverfahren sowie Ihre politische Kultur darauf hin, ob neue Zielgruppen hinreichend angesprochen werden. Eine in Inhalt und Stil bessere Kommunalpolitik braucht gute Rahmenbedingungen für die politisch Aktiven.
Ermutigen und unterstützen Sie auch parteiunabhängige und –übergreifende Vernetzungen kommunalpolitisch interessierter Frauen vor Ort! Gute Netzwerke werden von Frauen und Männern geknüpft.
Die Kommunalwahl 2019 bietet in 1101 Kommunen und in 35 Kreisen die Chance für Frauen, als Mandatsträgerinnen mindestens fünf Jahre lang die Geschicke ihrer Kommune mitzubestimmen.
Der Landesfrauenrat ruft die Bürgerinnen und die Parteien und Wähler*innenvereinigungen auf, diese Chance offensiv zu nützen.
Frauen nach Vorn – Denn repräsentative Demokratie braucht Vielfalt!
(Beschlossen von der Delegiertenversammlung am 4. Mai 2018 in Stuttgart)