Frauengesundheit: Prekäre Situation der Hebammen in Baden-Württemberg – Unterversorgung von Schwangeren und Gebärenden in vielen Regionen des Landes

Hebammenverband – Berufsverband und Streiterin für Frauengesundheit

Am 19. Juli 2018 traf sich der Vorstand des Landesfrauenrates, vertreten durch seine beiden Vorsitzenden Charlotte Schneidewind-Hartnagel und Saskia Ulmer, mit den Vorsitzenden des Hebammenverbandes Baden-Württemberg, Jutta Eichenauer und Christel Scheichenbauer, in Stuttgart in der Geschäftsstelle des LFR. Schnittmengen zwischen diesem Mitgliedsverband, der Hebammenverband Baden-Württemberg ist einer der Gründungs-Mitgliedsverbände, und dem Landesfrauenrat gibt es mehrere. Der Hebammenverband steht als Berufsverband für den Frauenberuf schlechthin und als Verband im Bereich Frauengesundheit für den Kernbereich von Frauengesundheit: Schwangerschaft und Geburt. Zur Website des Hebammenverbandes Baden-Württemberg

Im Landesfrauenrat ist Frauengesundheit seit Anbeginn ein Kernthema der frauenpolitischen Lobbyarbeit. (Näheres dazu finden Sie über die Suchfunktion auf dieser Website unter dem Stichwort Frauengesundheit)

Hebammen haben eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe in diesem sensiblen Lebensabschnitt von Frauen und Paaren auf dem Weg zur Mutter- bzw. Elternschaft und vereinen neben den medizinischen auch psychosoziale Aufgaben. Sein Selbstverständnis hat der Hebammenverband in seinen 12 Thesen für eine gute Geburtshilfe formuliert, diese finden sie hier: 180406_PM_HLVBW_Hebammentag_Anhang_12_Thesen

Allerdings – darauf macht der Hebammenverband seit vielen Jahren eindringlich in Stellungnahmen und auch mit Straßenaktionen z.B. zum Internationalen Hebammentag am 5. Mai aufmerksam – ermöglicht ihre berufliche Situation (Arbeitsbedingungen, finanzielle Ausstattung etc.) in weiten Bereichen Hebammen nicht eine dauerhafte Berufsausübung bzw. eine Berufsausübung nur unter großem persönlichen Risiko. Die Folge: viele Hebammen geben ihren Beruf auf. Die Folge für werdende Mütter, Gebärende und Neueltern: sie müssen in vielen Teilen des Landes auf die von ihnen benötigte Unterstützung vor, während und nach der Geburt eines Kindes verzichten, vermeidbare Risiken steigen.  Immer mehr Kliniken in Baden-Württemberg haben Probleme, offene Hebammenstellen zu besetzen. Das Sozialministerium hat dazu eine Versorgungsrecherche gemacht und auf seiner Homepage unter Runder Tisch Geburtshilfe online gestellt.

Beim Gespräch mit dem LFR erläuterten die Vorsitzenden des Hebammenverbandes Baden-Württemberg die Forderungen ihres Berufsverbandes:

  • Unter dem Titel „Frauengesundheit stärken“ fordern sie zur Sicherstellung der 1:1 Betreuung unter der Geburt einen Notfallpool von Hebammen, da die Personalausstattung an den Kliniken zur Zeit keine 1:1 Betreuung garantieren kann.
  • Für die Qualität der Geburtshilfe wünscht sich der Hebammenverband mehr Kliniken, die sich dem „Expertinnenstandard zur Förderung der physiologischen Geburt“ verpflichten.
  • Zur Verbesserung ihrer Arbeitssituation und zum Verbleib im Beruf brauchen Hebammen lebensgerechte Arbeitszeitmodelle und existenzsichernde Bezahlung.

Runder Tisch Geburtshilfe Baden-Württemberg

In diesem Kernbereich von Frauengesundheit, der Geburtshilfe, ist es im Ländle schlecht bestellt – das hat auch die vergangene und die derzeitige Landesregierung erkannt. Auf Initiative von Staatssekretärin Bärbl Mielich wurde im Januar 2017 ein Runder Tisch Geburtshilfe installiert um sich mit allen Beteiligten auf wirksame Maßnahmen für eine gute Geburtshilfe zu verständigen. Bei seiner 5. Sitzung im April 2018 legte das vom Sozialministerium beauftragte Institut für Public Health der Universität Heidelberg nun seinen Bericht zur aktuellen Versorgungssituation im Land vor. Wichtige Erkenntnisse aus dem Bericht:

  • Versorgungsengpässe bestehen insbesondere für Hebammenhilfe vor einer Geburt. Bis zu 51 Prozent der befragten Mütter berichteten von Schwierigkeiten bei der Suche nach einer Hebamme.
  • Der Großteil der freiberuflich tätigen Hebammen berichtete von mehr Anfragen nach Hebammenleistungen als diese annehmen können, dies gelte auch für die Nachsorge.
  • Von den an der Umfrage beteiligten Kliniken berichtete mehr als die Hälfte über Probleme, offene Hebammenstellen zu besetzen.
  • Auffällig ist auch die kurze Verweildauer der Hebammen im Beruf von vier bis sieben Jahren.

„Die Versorgungsengpässe sind regional unterschiedlich. Wir müssen zusehen, dass wir flächendeckend eine optimale Versorgung für werdende Mütter fördern können“, so Staatssekretärin B. Mielich zu dem Bericht.
Durch Aufnahme neuer Klassen in die derzeit 10 bestehenden Hebammenschulen im Land soll deren Kapazität bis 2019 um weitere bereits geplante 146 Ausbildungsplätze, auf insgesamt 626 Ausbildungsplätze ansteigen. Aufgrund des schrittweisen Kapazitätsausbaus und der Ausbildungsdauer von momentan drei und zukünftig vier Jahren (nach der Akademisierung) werden zusätzlich ausgebildete Hebammenschülerinnen und Entbindungspflegeschüler in den Jahren 2020 bis 2024 in den Arbeitsmarkt eintreten.

Gute Rahmenbedingungen für die Geburtshilfe
Einstimmig haben die Mitglieder der Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz (https://www.gleichstellungsministerkonferenz.de/) im Juni 2018 in Bremerhaven einem Vorstoß aus Baden-Württemberg zugestimmt, wonach es in ganz Deutschland gleich gute Rahmenbedingungen für die Geburtshilfe geben soll. Die Ministerkonferenz appellierte an das Bundesgesundheitsministerium, hier entsprechend tätig zu werden und allgemeinen Mangeltendenzen sowie regional drohenden Versorgungsengpässen frühzeitig entgegen zu wirken. Das Thema „Bessere Rahmenbedingungen für die Geburtshilfe“ soll in Kürze auch auf der Gesundheitsministerkonferenz der Länder behandelt werden.

Wie es anders geht …
Dass eine Unterversorgung im Bereich Geburtshilfe nicht zwangsläufig ist, zeigen z.B. Länder wie Island, Schweden und die Niederlande. Hier sind Hebammen nicht nur in der Schwangerschaft und der Geburtshilfe tätig, sondern sind umfassend für den Bereich Frauengesundheit zuständig.