Pressemitteilung: Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg wirbt für das Nordische Modell: Es garantiert seit zwanzig Jahren das Selbstbestimmungsrecht von Prostituierten

PM Nordisches Modell 12.12.2019

Offener Brief an die Herausgeber*innen des Positionspapiers „Unterstützung statt Sexkaufverbot“ vom 22.11.2019
Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg wirbt für das Nordische Modell: Es garantiert seit zwanzig Jahren das Selbstbestimmungsrecht von Prostituierten


Sehr geehrte Damen und Herren,

der Landesfrauenrat Baden-Württemberg setzt sich nach intensiven Fachdebatten seit 2013 für das Nordische Modell ein. Mit Befremden haben wir Ihre aktuelle Positionierung zur Kenntnis genommen. Wir vermissen darin eine intensive Analyse der breiten Studienlage seitens der Europäischen Kommission, des Europaparlaments und schwedischer Forschungsliteratur.
Schweden ist das europäische Vorzeigeland für die Gleichstellung von Frauen und Männern, weil es konsequent gesellschaftliche Diskriminierungsstrukturen analysiert und aktiv bekämpft. Vor zwanzig Jahren wurden dort eine Vielzahl an Gesetzen geändert, um die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern.
Für den Umgang mit Menschenhandel und Prostitution wurde das Nordische Modell entwickelt. Es beinhaltet das Verbot von Sexkauf, Zuhälterei und Bordellbetrieben. Menschen, die sich prostituieren, werden nicht kriminalisiert. Integraler Bestandteil des Nordischen Modells sind Ausstiegshilfen und gesellschaftliche Aufklärung über die psychische Bedeutung konsensualer (einvernehmlicher) Sexualität.
Das hat in Schweden nichts mit Moral zu tun, sondern mit Menschenrechten.
Das Nordische Modell hat Prostitution aus dem Dunkelfeld geholt und ins Hellfeld gerückt. Das Nordische Modell lenkt den öffentlichen Blick auf die Nachfrage, es verändert den Blick gegenüber Freiern und entstigmatisiert die Prostituierten.

Die Ergebnisse des Nordischen Modells sind im Auftrag der schwedischen Regierung evaluiert. Aufgrund der vielfältigen positiven Effekte hat die Europäische Kommission 2011 eine Richtlinie erlassen, die die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, der Nachfrage, die Menschenhandel begünstigt, entgegenzuwirken.
Der zuständige Ausschuss für Gleichstellung des Europaparlaments hat 2014 alle Mitgliedsstaaten aufgefordert, sich am Nordischen Modell zu orientieren. Zu den positiven Effekten des Sexkauf-Verbotes gehören eine Reduzierung des Menschenhandels und der damit verbundenen Gewalt gegen Frauen.
In Folge der in Deutschland gültigen Gesetzgebung boomt seit 2002 in der deutsche Prostitutionsmarkt. Profiteure* sind die Zuhälter, Bordellbetreibenden und Menschenhändler*. Die Nachfrage ist groß, damit steigt die Anzahl der Prostituierten. 80-95 % von Ihnen sind Ausländer*innen aus ärmsten Verhältnissen. Gegen eine geringe Bezahlung von circa 30 Euro erkaufen sich in Deutschland lebende Männer – und mittlerweile viele Sextouristen – Zugang zu Frauenkörpern. Prostitution schadet Frauen und Männern und stört die Gleichstellung der Geschlechter nachhaltig!
Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg fordert die Herausgeber*innen des Positionspapiers  auf:
! in einen fachlich fundierten Austausch mit der schwedischen Regierung, Polizei und Wissenschaft einzutreten und die Erfolge des Nordischen Modells im Kampf gegen Menschenhandel und sexueller Gewalt gegen Frauen wahrzunehmen
! sich für eine schonungslose Analyse der Realität im deutschen Prostitutionsmarkt einzusetzen

Adressat*innen: Deutsche Aidshilfe e.V. – Deutscher Frauenrat e.V. – Deutscher Juristinnenbund e.V. – Diakonie Deutschland – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. – Dortmunder Mitternachtsmission e.V. – Beratungsstelle für Prostituierte, Ehemalige und Opfer von Menschenhandel – contra e.V. Kiel – Fachstelle gegen Frauenhandel in Schleswig-Holstein im Frauenwerk der Nordkirche