20. Juni 2022 UN-Weltflüchtlingstag
Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg sieht dringenden Handlungsbedarf –
Sicherstellung des Schutzes und der Förderung von geflüchteten Mädchen und Frauen
Fluchtgründe sind zahlreich, aber die Furcht spielt immer eine entscheidende Rolle. Die direkt nachvollziehbare Furcht der Geflüchteten aus der Ukraine vor dem russischen Angriffs-Krieg begegnete daher auch einer enormen Hilfsbereitschaft der Menschen in ganz Deutschland. Anlässlich des UN-Weltflüchtlingstages am 20.06.2022 weist der Landesfrauenrat Baden-Württemberg, die politische Interessenvertretung von über 50 landesweit aktiven Frauenorganisationen, nachdrücklich auf die großen Risiken und Gefahren auf der Flucht für alle Geflüchteten hin, insbesondere für geflüchtete Mädchen und Frauen.
Über 80 Prozent der Zufluchtsuchenden aus der Ukraine sind weiblich. Die geflüchteten Frauen sind darüber hinaus mehrheitlich entweder allein oder mit minderjährigen Kindern unterwegs. Entgegen der häufig verbreiteten Wahrnehmung sind tatsächlich rund die Hälfte der Migrant*innen in Europa und auch anderen Regionen der Welt weiblich. Aufgrund des notwendigen Schutzes vor geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt und prekären Wohn- oder Arbeitsverhältnissen bedarf es daher einer besonderen Unterstützung. „Der Landesfrauenrat weist seit Jahrzehnten auf diese Risiken und Gefahren für geflüchtete Mädchen und Frauen aus allen Ländern hin, die nun aufgrund des Ukraine-Krieges nochmals brisanter zu Tage treten,“ führt Verena Hahn, Zweite Vorsitzende des Landesfrauenrates aus. „Zudem ist es unerlässlich, dass alle Geflüchteten und Asylbewerber*innen möglichst schnell in Integrationsmaßnahmen und -sprachkurse einbezogen werden und nicht nach z.B. Herkunft und Hautfarbe unterschieden wird.“
Daher fordert der Landesfrauenrat die Landesregierung Baden-Württemberg im Hinblick auf Geflüchtete und Asylbewerber*innen aus der ganzen Welt auf, gezielt besonders schutzbedürftige Mädchen und Frauen zu fördern und Kindern die Integration in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen zu ermöglichen. Ausländische Berufsabschlüsse und -qualifikationen müssten unbürokratischer und schneller anerkannt und Fort- und Weiterbildungen gefördert werden. Arbeitsverbote seien weitestgehend aufzuheben und möglichst vorläufige Arbeitserlaubnisse zu erteilen. Um im neuen oder vorübergehenden Aufnahme-/ Wohnland ankommen zu können, sei der Zugang zum Spracherwerb und zum Arbeitsmarkt unverzichtbar, um wieder eine Perspektive aufbauen zu können, ist sich Verena Hahn sicher.
Darüber hinaus fordert der Landesfrauenrat den Ausbau und die Sicherstellung des Zugangs zu kostenlosen und flächendeckenden psychologischen und Schwangerschaftskonfliktberatungen und Reha-Maßnahmen für Opfer von geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt und Menschenhandel. Präventiv sind für Frauen und Kinder Schutz- und Privaträume einzurichten, die von den Bereichen der Männer getrennt sind, um Einschüchterungen und Übergriffe zu vermeiden. Baden-Württemberg müsse die Umsetzung der Istanbul-Konvention, das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, konsequent vorantreiben. Der Auf- und Ausbau der vier Säulen dieses in Deutschland seit 2018 verpflichtend geltenden Gesetzes würde auch den geflüchteten Mädchen und Frauen zugutekommen, wie zum Beispiel Strukturen der Gewaltprävention und die Unterstützung durch Beratungsstellen bzw. der Einsatz im Gewaltschutz ausgebildeter Fachkräfte.