One Billion Rising Aktionstag am 14. Februar – Das Strukturelle hinter den wahren Geschichten
Seit 10 Jahren erheben sich anlässlich des Aktionstages One Billion Rising jedes Jahr am 14. Februar Menschen auf der ganzen Welt, um gemeinsam gegen Gewalt und Diskriminierung von Frauen und Mädchen zu demonstrieren. Auch der Landesfrauenrat Baden-Württemberg fordert Solidarität für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen und ein differenzierteres Bewusstsein für das damit zusammenhängende Leid. Die Geschichten hinter dieser Gewalt sind real, die Ängste von Frauen und Mädchen vor der Gewalt auch.
Die im November 2022 veröffentlichte polizeiliche Kriminalstatistik zu partnerschaftlicher Gewalt zeigte erneut auf, dass sich die „alarmierend hohe“ Zahl der Femizide in den vergangenen Jahren kaum verändert hat: So versuche ein Partner oder Ex-Partner jeden Tag eine Frau zu töten und weniger als jeden dritten Tag gelänge dies in Deutschland auch. Aber die Statistik, der Versuch einer Einordnung der Realität, bleibt lückenhaft. Es ist von hohen Dunkelziffern auszugehen, denn viele dieser Taten geschehen im Privaten und werden nach wie vor nicht bei der Polizei angezeigt.
„Aus Scham und aufgrund von Abhängigkeiten holen sich viele Frauen und Mädchen als Opfer von Gewalt keine Hilfe“, stellt Verena Hahn, Zweite Vorsitzende des Landesfrauenrates Baden-Württemberg, fest. Ihren erschreckenden Geschichten würden häufig nicht geglaubt werden, zu unerträglich seien sie, zu unglaubwürdig erschienen sie.
Daher fordert der Landesfrauenrat Baden-Württemberg seit Jahren die Umsetzung der Istanbul Konvention gegen Gewalt an Frauen und gegen häusliche Gewalt von der Landesregierung in Baden-Württemberg zur Prävention als gesellschaftliche Aufgabe und zum Schutz der Opfer.
Zudem spielt die Sprache beim Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen eine entscheidende Rolle: Sie bestimmt, wie über diese Gewalt gesprochen, geschrieben und nachgedacht wird.
„Stereotype und Verharmlosungen zementieren unseren Sprachgebrauch und beschränken unsere Wahrnehmung,“ konstatiert Prof. Dr. Ute Mackenstedt, Erste Vorsitzende des Landesfrauenrates Baden-Württemberg. „Familientragödie“ und „Beziehungsdrama“ würde reale Gewalt gegen Frauen und Mädchen und sogar deren Tötung verharmlosen und die mehrheitlich männlichen Täter entlasten.
Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg fordert daher eine würdigere und angemessenere mediale Berichterstattung, um mehr gesellschaftliche Sensibilität für das Ausmaß von Gewalt gegen Frauen in Deutschland herzustellen. Ohne Einordnung einer Gewalttat in die empirischen Zahlen der Kriminalstatistiken erscheinen sie vermeintlich als Einzeltaten und gerade nicht als Beleg für eine strukturelle Herausforderung der gesamten Gesellschaft. Denn darüber hinaus müssten auch die hohen Dunkelzifferschätzungen aufgrund von leider seltenen, da teuren Befragungsstudien benannt werden.