Seit März 2022 beschäftigt sich der Arbeitskreis „Selbstbestimmung Geschlecht“ unter der Leitung der Zweiten Vorsitzenden des LFR BW Verena Hahn; mit dem Vorhaben der Ampelkoalition, ein Selbstbestimmungsgesetz mit einer Selbstauskunft zum eigenen Geschlecht einzuführen, das auch das Transsexuellengesetz ablösen soll.
Der Koalitionsvertrag der Ampelkoalition von 2021 sieht vor, ein sogenanntes „Selbstbestimmungsgesetz“ einzuführen. Das Eckpunktepapier der beiden Ministerien BMFSFJ und BMJ wurde am 30.06.2022 vorgestellt. Es ist geplant, zeitnah einen Gesetzesentwurf vorzulegen und in Bezug auf den Personenstandseintrag eine Änderung des Geschlechtseintrags „grundsätzlich per Selbstauskunft“ für alle volljährigen Personen anstelle einer Eintragung des biologischen Geschlechts bzw. einer Eintragung nach dem Durchlaufen eines Gutachtenverfahrens einzuführen.
Das Eckpunktepapier sieht insbesondere vor, das Geschlecht durch Erklärung beim Standesamt in „Frau“, „Mann“, „divers“ zu ändern oder den Geschlechtseintrag zu streichen. Eine Eintragung kann jeweils wieder nach einem Jahr abgeändert werden. Es soll ein Offenbarungsverbot eingeführt und Verstöße auch bei Verwendung des vorherigen Namens / Pronomens oder bei einem Bezug zum vorherigen Geschlechtseintrag als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldstrafe sanktioniert werden. Es werden Regelungen für Kinder unter 14 Jahren eingeführt, so dass Eltern den Geschlechtseintrag ihres Kindes ohne Prüfung durch Dritte ändern können, und für Jugendliche über 14 Jahren wird beabsichtigt, dass Familiengerichte die Erklärung der gesetzlichen Vertreter ersetzen können.
Der Austausch im Arbeitskreis streifte unglaublich viele Aspekte und Positionen, so dass sich zunächst der Bedarf nach mehr und spezielleren Informationen herauskristallisierte. Diese Informationen sollte der LFR BW insbesondere seinen Mitgliedern und KooperationspartnerInnen zur Verfügung stellen. Auch wurden zahlreiche Fragen zu den Auswirkungen und Folgen des Plans speziell für Frauen und Mädchen, also die Zuspitzung auf die zentrale Zielsetzung des LFR BW, aufgeworfen.
Das komplexe Themenfeld berührt sowohl rechtliche, biologische, psychologische, ethische und viele weitere Bereiche und wurde daher als digitale Reihe organisiert. Aufgrund der unterschiedlichen, oft sich nicht überschneidenden Aspekte wurden diese als Vorträge eines/einer Referenten/in geplant, denen jeweils eine Fragerunde folgte. Es wurden viele ReferentInnen angesprochen, von denen ein großer Teil sich auch bereit erklärte, an der Veranstaltungsreihe mitzuwirken. Aufgrund der aufgeheizten Stimmungslage bei dem Thema wurde vereinbart, die Fragen in einem nicht öffentlichen Chat zu sammeln. Erfahrungsgemäß kann ein öffentlicher Chat bei einem umstrittenen Themenfeld dazu führen, dass auf die Metaebene ausgewichen wird oder sich ein eigenständiger Austausch zwischen Teilnehmenden parallel zum Vortrag entwickelt. Der LFR BW hatte aber das Ziel, die ReferentInnen und ihre Expertise in den Mittelpunkt einer sachlichen Debatte zu stellen.
Es fanden bisher sieben digitale Veranstaltungen statt:
- Montag, 26. September 2022, „Was macht eine Frau zur Frau? Das geplante Selbstbestimmungsgesetz und seine Konsequenzen“, mit Frau Prof. Dr. Judith Froese (Professorin für Öffentliches Recht, Universität Konstanz)
- Mittwoch, 19. Oktober 2022, „Körper, Wort und Weltbezug: Über feministische Vorstellungen zum Verhältnis von Sex und Gender“, mit Frau Prof. Dr. Barbara Holland-Cunz, (Professorin im Ruhestand für Gender Studies an der Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für Politikwissenschaft)
- Donnerstag, 27. Oktober 2022, „Selbstbestimmtes Geschlecht? Rechtliche und ethische Perspektiven“, mit Frau Prof. Dr. Regina Ammicht Quinn, Herrn Lukas Häberle (Zentrum für Gender- und Diversitätsforschung Tübingen, Direktorin am ZGD und Leiterin des Internationalen Zentrums für Ethik in den Wissenschaften der Eberhard Karls Universität Tübingen)
- Montag, 21. November 2022, „Was ist Transidentität?“, mit Herrn Prof. Dr. Udo Rauchfleisch (Klinischer Psychologe und Psychotherapeut der Fachrichtung Psychoanalyse)
- Mittwoch, 7. Dezember 2022, „Was ist das biologische Geschlecht?“, mit Frau Prof. Dr. Ilse Denise Jacobsen (Professorin für Mikrobielle Immunologie (W3), Friedrich-Schiller-Universität Jena)
- Montag, 19. Dezember 2022, „Sex – Gender – Trans“, mit Frau Prof. Dr. med. Aglaja Valentina Stirn (Professorin für Psyosomatische Medizin und Sexualmedizin, Universität Kiel, Zentrum für Integrative Psychiatrie ZIP)
- Donnerstag, 2. März 2023, 19:00 – 20:30 Uhr, „Soziale Identität: Stereotype, Vorurteile und Diskriminierung“ mit Prof. Dr. Hans-Peter Erb (Professor für Sozialpsychologie, Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg)
Auf der Delegiertenversammlung des Landesfrauenrates Baden-Württemberg am 02.12.2022 wurde der Antrag „Differenzierte Rechtsfolgenabschätzung bzgl. Geschlechtseintrag im Personenstandsregister“ verabschiedet.