Weniger Mythen über Frauen und Männer – Landesfrauenrat Baden-Württemberg hat eine umfassende Gleichstellungsstrategie entwickelt
Im Alltag Entscheidungen zu treffen, erfordert oft schnelle Einschätzungen und Urteile. Wir behelfen uns mit vereinfachendem Alltagswissen, das einprägsam und bildhaft ist. Leider erfordert dies folgerichtig eine gewisse Starrheit und wird oft unbewusst eingesetzt. „Wir müssen uns diesen Mechanismus bewusst machen, den wir ebenfalls bei der Beurteilung und Wahrnehmung von Frauen und Männern einsetzen“, fordert die Zweite Vorsitzende des Landesfrauenrats Baden-Württemberg (LFR BW) Verena Hahn. „Denn mit dieser Erkenntnis würden wir Geschlechtsstereotype überhaupt erkennen, die verzerren und unbewusst unser Verhalten prägen.“ Der LFR BW hat über 50 Mitgliedsverbände und -organisationen, die über 2 Millionen Frauen in Baden-Württemberg repräsentieren, und setzt sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern ein.
In anderthalbjähriger ehrenamtlicher Arbeit hat der LFR BW eine Ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie erarbeitet. Diese liegt nun vor und kann hier abgerufen werden.
Sie beinhaltet neben einer Sammlung von Maßnahmen zur Erreichung der Gleichstellung von Frauen und Männern, die sich aus den Beschlüssen der Mitgliederversammlung des LFR BW zusammensetzt, die detaillierte Ausarbeitung verschiedener Themenfelder. Diese behandeln beispielsweise „Frauen und Existenzabsicherung“ und „Gewalt gegen Frauen und in der Prostitution“.
Jedoch legt die Strategie einen besonderen Fokus auf die weiterhin herrschenden Grundannahmen in unserer Gesellschaft, die nicht die Symptome, sondern die Ursachen für die Missstände und die fehlende Chancengleichheit von Frauen bilden.
Dazu gehören die strukturelle Diskriminierung von Frauen und die entsprechenden systematischen Verzerrungseffekte, auch Gender Biases genannt. Wenn Frauen gemäß traditionellen Rollenbildern nicht oder eingeschränkter als Wissensträgerinnen wahrgenommen werden, wird ihnen auch nicht in demselben Maß zugehört oder sie werden im Austausch auch noch als weniger sympathisch wahrgenommen, was Studien belegen. Frauen werden entweder als sympathisch oder als kompetent eingestuft, Männern kann dagegen beides zugleich zugeschrieben werden. „Die Verzerrung der Wahrnehmung von Männern und Frauen ist den meisten Menschen jedoch gar nicht bewusst, sie läuft wie beim Alltagswissen automatisch ab und muss als solche erst erkannt werden“, ist Hahn überzeugt.
„Es sind die Mythen über viele Grundannahmen in unserer Gesellschaft, die Fortschritte hin zu einer gerechteren Umverteilung der Sorgearbeit oder der Erwerbsarbeit unter Frauen und Männern verhindern“, ergänzt Ute Mackenstedt, Erste Vorsitzende des LFR BW. Diese Missstände anzugehen, bedarf einer ressortübergreifenden und von der Landesregierung zu entwickelnden und umzusetzenden Gleichstellungsstrategie. Der LFR BW hat mit seinem Papier einen Aufschlag gemacht. Die Landesregierung in Baden-Württemberg will eine solche Strategie ebenfalls erstellen, aber zur Umsetzung derselben wird es in dieser Legislaturperiode nach eigener Aussage nicht mehr kommen.