Stellungnahme des Landesfrauenrates Baden-Württemberg zum Antrag „Menschenunwürdige Zustände in der Prostitution beenden – Sexkauf bestrafen“ der Fraktion der CDU/CSU, Drucksache 20/10384

Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg (LFR BW) mit seinen 50 Mitgliedsverbänden und zwei Millionen engagierten Frauen setzt sich nach intensiven Fachdebatten seit 2013 für eine Gesellschaft ohne Prostitution ein und ist seit 2021 Mitglied des bundesweiten Bündnisses Nordisches Modell. Der LFR BW begrüßt den Antrag[1] und die vorgeschlagenen Maßnahmen der CDU/CSU Fraktion vom 20.02.2024 ausdrücklich.

Das Ziel des deutschen Prostitutions-Gesetzes von 2002 – die Stärkung der Rechtsposition von Prostituierten – wurde für die breite Mehrheit der Prostituierten nicht erreicht. Das Prostitutionsgesetz von 2002 hat nur einigen wenigen Frauen[2] „genutzt“ und die überwiegende Mehrheit schutzlos gelassen.

  • Einen Menschen zum Konsumartikel zu degradieren, ist mit der Würde des Menschen nicht vereinbar. Ein Freier tut genau dies. Prostitution ist nicht vereinbar mit der Würde des Menschen; denn Frauen und weibliche Sexualität werden zur Ware, zu einem käuflichen Objekt degradiert. Prostitution ist gerade deshalb kein Beruf wie jeder andere – aber für manche Frauen die einzige bezahlte Arbeit, die ihnen aus Not, Perspektivlosigkeit, Naivität oder mangelnder Information möglich erscheint.
  • In Prostitution und Zuhälterei (illegal oder legalisiert) findet das Machtverhältnis von Männern über Frauen und ihre Sexualität einen deutlichen Ausdruck. In legalisierter und gesellschaftlich anerkannter Prostitution manifestiert sich die Anerkennung dieses Machtverhältnisses.
  • Das Ziel einer Gesellschaft ohne Prostitution ist nicht mit einer Kriminalisierung der aktuell als Prostituierte tätigen Frauen zu erreichen. Daher spricht sich der LFR BW gegen die Stigmatisierung und Kriminalisierung von Prostituierten aus. Die in der Prostitution tätigen Frauen, müssen den bestmöglichen Schutz vor Ausbeutung, Gewalt, Krankheit und Rechtlosigkeit bekommen. Sie müssen vermehrt Angebote zum Ausstieg aus der Prostitution erhalten.
  • Trotz diverser Gesetzesreformen im Bereich Menschenhandel (2016) ist es weiterhin nicht gelungen, Prostituierte zu schützen, die Organisierte Kriminalität zurückzudrängen und Menschenhandel und Zwangsprostitution nachhaltig zu bekämpfen. Stattdessen steigt die Nachfrage durch Freier und die Opferzahlen im Menschenhandel.
  • In Anbetracht der Tatsache, dass es vor allem Frauen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind, die sich in der Prostitution befinden, müssen migrationspolitische und asylrechtliche Regelungen in den Maßnahmen Beachtung finden.

Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg fordert daher die Einführung der Säulen des Nordischen Modells in Deutschland:

  • Entkriminalisierung der prostituierten Personen
  • Umfassende Unterstützung für Prostituierte und Ausstiegsprogramme
  • Sexkaufverbot und Kriminalisierung aller Profiteure
  • Öffentliche Aufklärung und Prävention

Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU greift diese Säulen durch verschiedene einzelne Maßnahmen auf, die wir deshalb befürworten. Die Wirksamkeit des Nordischen Modells bzgl. dem Schutz Prostituierter, der Bekämpfung des Menschenhandels sowie der Förderung der Gleichstellung der Geschlechter ist in Ländern, die das Modell umsetzen, evident.[3]

Entscheidend wird mit dem Nordischen Modell auch das dringend erforderliche Umdenken in unserer Gesellschaft durch die Infragestellung von tradierten Rollenstereotypen, die sich in der Akzeptanz der Käuflichkeit weiblicher Körper und der Machtausübung und Gewalt gegen Frauen in der Prostitution ausdrücken, erreicht. Die Ablehnung des Sexkaufs hat sich in den Ländern, die das Nordische Modell umgesetzt haben, von einer Minderheit in eine massive Mehrheit der Gesellschaft gewandelt.

Ein Sexkaufverbot adressiert die Ursache des Problems: Prostitution existiert nicht, weil Frauen ihr nachgehen wollen, sondern weil Männer Prostitution nachfragen. Erst durch den Sexkauf wird die Prostitution für andere Profiteure zu einem lukrativen Geschäft. Sexkauf ist eine weit verbreitete Form von Gewalt gegen Frauen. Deshalb muss ein Sexkaufverbot elementarer Bestandteil einer menschenrechtsbasierten Prostitutions- und Gleichstellungspolitik sein.

Kontakt:

Landesfrauenrat Baden-Württemberg

Geschäftsstelle Stuttgart: 0711/621135

info@landesfrauenrat-bw.de

www.landesfrauenrat-bw.de


[1] https://dserver.bundestag.de/btd/20/103/2010384.pdf

[2] Wir sprechen hier von Frauen, weil es zum Großteil Frauen sind, die sich in der Prostitution befinden. Das System Prostitution ist ein vergeschlechtlichtes System, insofern, dass es Frauen sind, die die männliche Nachfrage „bedienen“ müssen. Gleichwohl sei darauf verwiesen, dass sich auch Männer und Transpersonen in der Prostitution befinden. Doch auch hier geht die Nachfrage vorranging von Männern aus.

[3] https://sverigeskvinnoorganisationer.se/wp-content/uploads/2023/12/Sex-pruchase-in-Sweden-Germany-Fact-sheet.pdf

4 Norwegen: Rasmussen; Strøm; Sverdrup und Wøien Hansen (2014): Evaluering av forbudet mot kjøp av seksuelle tjenes-ter.

Schweden: Förbud mot köp av sexuell tjänst. En utvärdering 1999-2008 SOU 2010:49 https://www.regeringen.se/rattsliga-dokument/statens-offentliga-utredningar/2010/07/sou-201049/

Frankreich: Gervais et al (2020): Evaluation de la loi du 13 avril 2016 visant à renforcer la lutte contre le systèème prostitu-tionnel et à accompagner les personnes prostituéées. https://www.interieur.gouv.fr/Publications/Rapports-de-l-IGA/Rapports-recents/Evaluation-de-la-loi-du-13-avril-2016-visant-a-renforcer-la-lutte-contre-le-systeme-pros-titutionnel-et-a-accompagner-les-personnes-prostituees

Irland: Shifting the Burden of Criminality: An Analysis of the Irish Sex Trade in the Context of Prostitution Law Reform: https://www.ucd.ie/geary/static/serp/Shifting_the_Burden_Report.pdf

Überblick: Di Nicola (2021): The differing EU Member States’ regulations on prostitution and their cross-border implications on women’s rights. https://www.europarl.europa.eu/thinktank/de/document/IPOL_STU(2021)695394