HERTHA NATHORFF, GEB. EINSTEIN
LEBENSDATEN
05.06.1895 – 10.06.1993
Kinderärztin und Publizistin
ERINNERUNGSORT 1
Erinnerungsporträt, Universitätsklinikum Ulm, Albert-Einstein-Allee 23, 89081 Ulm
ERINNERUNGSORT 2
Museum zur Geschichte von Christen und Juden, Claus-Graf-Stauffenberg-Straße 15, 88471 Laupheim
Hertha Nathorff war eine bemerkenswerte Frau, die in einer Zeit, in der Frauen oft noch mit vielen Einschränkungen konfrontiert waren, nicht nur akademische und berufliche Meilensteine setzte, sondern auch als engagierte Sozial- und Frauenrechtlerin aktiv war. Sie ist vor allem als eine der ersten promovierten Ärztinnen in Deutschland und als Pionierin im Bereich der Sozialmedizin bekannt.
Geboren in eine jüdische Familie in Laupheim, zeigte Nathorff früh eine Leidenschaft für die Wissenschaft. Im Alter von 9 Jahren besuchte sie 1904 als erstes Mädchen die Laupheimer Lateinschule, das spätere Carl-Laemmle-Gymnasium. Ihr Besuch an der Schule führte Anfang des 20. Jahrhunderts zu erheblichem Aufsehen und anfänglichem Widerstand seitens der Schulbehörden. Von 1910 bis 1914 war sie Schülerin an einem Gymnasium in Ulm, an dem sie 1914 ihre Abiturprüfung ablegte. Sie studierte Medizin in Freiburg, Heidelberg, München und Berlin und erlangte 1907 ihren Doktortitel. Schon während ihres Studiums setzte sie sich für die Rechte von Frauen ein und kämpfte für die akademische Anerkennung von weiblichen Medizinerinnen.
Nach ihrer Promotion arbeitete sie in verschiedenen sozialen Einrichtungen und war dabei besonders in der Kinder- und Jugendfürsorge aktiv. Nathorff war zeitlebens eine kritische Stimme in gesellschaftlichen und politischen Fragen. In den 1920er Jahren engagierte sie sich im sozialpolitischen Bereich und war Mitglied verschiedener Frauenorganisationen. Sie setzte sich für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Frauen und Kindern ein und war eine Verfechterin der sozialen Absicherung von Arbeiterinnen. Auch in der Medizin war sie innovativ: Sie forschte zu sozialen Aspekten der Gesundheit und prägte das Verständnis von gesundheitlicher Fürsorge als gesellschaftlicher Verantwortung.
Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, änderte sich ihr Leben dramatisch. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft und ihrer politischen Einstellung musste sie ihre Praxis aufgeben und floh 1939 über London nach New York. In den USA konnte sie ihren Beruf nie mehr ausüben, da die Abschlüsse nicht anerkannt wurden und nur ihr Mann das Examen dort wiederholte.
Dennoch blieb Hertha Nathorff vielfach engagiert und veröffentlichte später ihre Erinnerungen als Tagebuch. Hertha Nathorff ist ein Beispiel für eine Frau, die gegen alle Widerstände ihren Weg ging und dabei einen bleibenden Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen und sozial Benachteiligten leistete.
Am Universitätsklinikum Ulm erinnert ein Porträt der Künstlerin Marlis E. Glaser an Hertha Nathorff und würdigt ihre Arbeit als Ärztin, Forscherin und Sozialaktivistin. Außerdem bietet die Medizinische Fakultät der Universität Ulm mit dem Hertha-Nathorff-Programm ein eigenes Instrument zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen an und möchte damit die Chancengleichheit von Frauen und Männern in Forschung und Lehre auf allen Karrierestufen sicherstellen.