Zum Prostitutionsgesetz: Eine Gesellschaft ohne Prostitution ist das Ziel.
Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung wirksam bekämpfen!
Die Delegiertenversammlung des Landesfrauenrats Baden-Württemberg stellt fest:
Einen Menschen zum Konsumartikel zu degradieren, ist mit der Würde des Menschen nicht vereinbar. Ein Freier tut genau dies. Prostitution ist nicht vereinbar mit der Würde des Menschen; denn Frauen und weibliche Sexualität werden zur Ware, einem käuflichen Objekt degradiert. Prostitution ist gerade deshalb kein Beruf wie jeder andere – aber für manche Frauen die einzige bezahlte Arbeit, die ihnen aus Not, Perspektivlosigkeit, Naivität oder mangelnder Information möglich erscheint. In Prostitution und Zuhälterei (illegal oder legalisiert) findet das Machtverhältnis von Männern über Frauen und ihre Sexualität einen deutlichen Ausdruck. In legalisierter und gesellschaftlich anerkannter Prostitution manifestiert sich die Anerkennung dieses Machtverhältnisses. Wir fordern, dass der Staat und die Gesellschaft in Deutschland mit einem Prostitutionsverbot ein grundsätzliches Signal für einen gesellschaftlich anzustrebenden Wert einvernehmlicher nicht warenförmiger Sexualbeziehungen setzen. Als Vorbild sehen wir die Gesetzgebung in Schweden und die Diskussion in einigen weiteren europäischen Ländern (z.B. in Frankreich).
Eine Gesellschaft ohne Prostitution ist das Ziel.
Wir erwarten, dass der Gesetzgeber dieses Ziel auch in Deutschland deutlich bekundet. Das Land Baden-Württemberg sollte mit einer erneuten und entsprechend erweiterten Bundesratsinitiative einerseits auf wirksameren Schutzmaßnahmen für die betroffenen Frauen insistieren; andererseits die Käufer/Freier mit der gesellschaftlichen Unerwünschtheit ihres Verhaltens konfrontieren. Wir begrüßen und fordern eine Neufassung des Prostitutionsgesetzes entsprechend der Vorschläge, die auf Initiative des Landes Baden-Württemberg bereits im Jahr 2011 vom Bundesrat beschlossen wurden, weil das Ziel einer Gesellschaft ohne Prostitution nicht mit einer Kriminalisierung der aktuell als Prostituierte tätigen Frauen zu erreichen ist. Daher spricht sich der LFR gegen die Stigmatisierung und Kriminalisierung von Prostituierten aus. Die in der Prostitution tätigen Frauen, die meist aus Not, Perspektivlosigkeit, Naivität oder falschen Versprechungen in die Prostitution geraten, müssen den bestmöglichen Schutz vor Ausbeutung, Gewalt, Krankheit und Rechtlosigkeit bekommen. Sie müssen vermehrt Angebote zum Ausstieg aus der Prostitution erhalten.
Die Delegiertenversammlung des Landesfrauenrats stellt fest:
- Das Ziel des deutschen Prostitutions-Gesetzes von 2002: die Stärkung der Rechtsposition von Prostituierten wurde für die breite Mehrheit der Prostituierten nicht erreicht. Das Prostitutionsgesetz von 2002 hat nur einigen wenigen Frauen „genutzt“ und die überwiegende Mehrheit schutzlos gelassen.
- Die vom Gesetzgeber gewollte Möglichkeit, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen über den Abschluss von Arbeitsverträgen zu ermöglichen, hat kaum praktische Relevanz erlangt.
- Profiteure der Neuregelungen sind vor allem Zuhälter und Bordellbetreiber, für die nun bessere Bedingungen bestehen wie unkontrollierbareBefugnisse, rechtliche Freiräume und steigender Profit. Ohne juristische Eingriffsmöglichkeit muss die Frau tun, was der Chef ihr sagt. D.h. dass Arbeitgeber in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frauen durch Weisungen eingreifen können.
- Es gelang nicht, kriminellen Begleiterscheinungen den Boden zu entziehen; ein Kriminalitätsmindernder Effekt war nicht nachweisbar.
- Die Angst der Frauen hat nach Angaben der Polizei zu, die Aussagebereitschaft der Frauen gegen Zuhälter, die gegen das Gesetz verstoßen, hat abgenommen.
- Mangelnde Sprachkenntnisse und Informations-/Beratungszugänge für ausländische Prostituierte ermöglichen diesen kaum, ihre Rechte geltend zu machen.
- Das Prostitutionsgesetz erschwert nach Polizeiangaben sogar die Ahndung des gesamten Bereichs der strafbaren unfreiwilligen Prostitution. Zwangsprostitution – Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, eine Straftat (§ 232 StGB) – hat nach Angaben der Polizei zu- und nicht abgenommen.
- Armutsmigration mündet offenbar vielfach in Prostitution zumal aus jenen EU-Ländern wo aktuell noch keine ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit gilt.
Wir fordern vom Land Baden-Württemberg
Bundesratsinitiative für ein Verbot der Prostitution
Wirksamere Bekämpfung des Menschenhandels
Gesetzliche Rahmenbedingungen müssen eine wirksamere polizeiliche Bekämpfung des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung ermöglichen. Dies sollte zugleich in Umsetzung der ab dem 6.4.2013 geltenden EU-Richtlinie gegen Menschenhandel erfolgen, die den Opferschutz von Menschenhandel regelt. Im Bereich Opferschutz ist eine Verbesserung der aufenthaltsrechtlichen Situation für Betroffene von Menschenhandel zu erwirken. Auch in Deutschland muss (wie z.B. in Italien) Opfern von Frauenhandel aus humanitären Gründen ein unbefristeter Aufenthaltstitel erteilt werden, ohne den Zwang vor Gericht aussagen zu müssen. Zudem muss Betroffenen geeignete Betreuung und Entschädigung garantiert werden. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Vorgaben zur Überwachung und Kontrolle von Zuhältern und Bordellbetreibern (Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten und Meldepflichten) sollten gerade in Baden-Württemberg beispielgebend umgesetzt und in ihrer Wirkung überprüft werden.
Gegen Zuhälter und Bordellbetreiber
Maßnahmen müssen darauf zielen, das Geschäft Prostitution für Vermieter, Bordellbetreiber/Zuhälter wirtschaftlich unattraktiv zu machen (z.B. durch Mietobergrenzen).
Grundsätzlich:
– Erarbeitung eines Handlungskonzepts für notwendige landesrechtliche Anpassungen.
– Gesundheitsschutz und psychosoziale Beratung
Kondompflicht, Aufklärung und aufsuchende Angebote des Gesundheitsamtes sind wichtige präventive Maßnahmen, um Prostituierte vor ansteckenden Erkrankungen (Geschlechtserkrankungen, HIV/AIDS) zu schützen und damit deren Verbreitung zu verhindern. Eine Kondomverpflichtung als präventive Maßnahme und Signal ist sinnvoll und notwendig, wenngleich kaum kontrollierbar. Wirkungsvolle Hilfe für die Frauen sind Früherkennung und Frühbehandlung. Gerade ausländischen Frauen ohne Wissen um Hilfsmöglichkeiten und ihre Rechte böten verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen die Chance, außerhalb ihrer überwachten Situation Ansprechpartnerinnen zutreffen. Hier könnte das Gesundheitsamt eine Aufgabe medizinischer Vorsorge und psychosozialer Betreuung und Beratung wahrnehmen. Nur der verpflichtende Schein des Gesundheitsamts wird Zuhälter dazu bringen, Frauen zu dieser Untersuchung zu verhelfen.
Ausstiegshilfen
Frauen schaffen den Ausstieg ohne Hilfe von außen in der Regel nicht. Oft körperlich und seelisch am Ende brauchen sie psychosoziale Begleitung, Unterkunft, berufliche Beratung, Ausbildung, Überbrückungshilfen, ein Netzwerk und vieles mehr. Fachstellen für kompetente Ausstiegsberatung
und Ausstiegshilfen sind unbedingt notwendig, damit sich die Frauen ein alternatives, selbstbestimmtes Leben erschließen können. Dafür sind von Land und Kommunen finanzielle Hilfen bereitzustellen.
Land und Bund sind gefordert, Prävention und Information in den Herkunftsländern ausländischer Prostituierter aktiv zu befördern: Im Zuge der ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit insbesondere mit den Mitgliedsstaaten Rumänien,
Bulgarien und den weiteren Beitrittskandidaten ist die Förderung von flächendeckenden Maßnahmen zur Information der Frauen in den Herkunftsländern sowie bei Ankunft in Deutschland unabdingbar, ggf durch zwischenstaatliche Vereinbarungen. Damit nicht Armutsmigration in
Prostitution mündet müssen die Staaten selbst mehr Verantwortung übernehmen; die wenigen ehrenamtlich engagierten Initiativen werden diese Aufgabe allein nicht bewältigen können. (Beispielhafte Initiative: open-for-young-women des Vereins für Internationale Jugendarbeit)