Anhörung des Wissenschaftsministeriums BW: Gesetz zur Weiterentwicklung des Karlsruher Instituts für Technologie (KITWG)
Aus der schriftlichen Stellungnahme des LFR vom 15. Januar 2012:
„… Als frauenpolitische Lobby konzentrieren wir uns in unserer Stellungnahme auf gleichstellungspolitische Aspekte und den grundlegenden Ansatz des Gender Mainstreaming.
Grundsätzlich begrüßt der Landesfrauenrat, dass das KIT in Fragen der Gleichstellung und Chancengleichheit die Möglichkeit erhält, entsprechende Regelungen eigenständig zu treffen. Damit kann das KIT in diesem wichtigen Feld gesellschaftlicher Weiterentwicklung innovativ und beispielgebend für andere Forschungseinrichtungen wirken. Wir sehen die Landesregierung und das KIT in der gesellschaftlichen Verantwortung, dies auch offensiv zu tun und die nötigen Strukturen und Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.
Denn Gleichstellungsmaßnahmen sind langfristige Investitionen: „Ohne Gleichstellung rücken Ziele wie nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Zusammenhalt in weite Ferne. (…) Gleichstellungsmaßnahmen sollten deshalb nicht als kurzfristiger Kostenfaktor, sondern als langfristige Investition betrachtet werden.“ (Zitat aus dem Bericht der EU-Kommission zur Gleichstellung 2010)
Bezugnehmend auf die Koalitionsvereinbarung zwischen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD Baden-Württemberg erwartet der Landesfrauenrat die Umsetzung des Gender Mainstreaming–Prinzips und des Genderbudgetings als Grundlage für das Handeln und Wirtschaften des KIT. Ferner gehen wir davon aus, dass eine geschlechtergerechte Gesetzesfolgenabschätzung durchgeführt wird. Handlungsbedarf sehen wir grundsätzlich auf folgenden Ebenen:
1. Schaffung geeigneter Strukturen zur Sicherstellung der Beteiligung von Frauen in Entscheidungsgremien.
2. Aktive Förderung von Frauen in MINT-Studienrichtungen.
3. Integration der Gender Dimension als Inhaltsqualität in Forschungs- und Entwicklungsvorhaben.
Zu 1.
Zur Besetzung der Gremien zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen, insbesondere im Vorstand und Aufsichtsrat, sowie zu den Aufgaben der Chancengleichheitsbeauftragten hat die Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten an den wissenschaftlichen Hochschulen Baden-Württembergs detaillierte Vorschläge erarbeitet, auf die wir verweisen.
Zu 2.
Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg hat sich dem Bündnis für Frauen in MINT-Berufen in Baden-Württemberg angeschlossen.
Es sind vermehrte und vor allem koordinierte Anstrengungen aller Beteiligten nötig, die für die Berufswahl, die Ausbildungs- und den weiteren Berufs- und Karriereweg von Frauen in MINT-Berufen eine Rolle spielen. Besonderes Augenmerk muss dabei den Schnittstellen zwischen Bildungsabschnitten und zwischen Bildungseinrichtungen, Hochschulen, Betrieben und Arbeitsverwaltung gelten.
Im Besonderen gilt es, Zugänge zu den gestalterischen Möglichkeiten dieser Berufsfelder zu erschließen bzw. im weiteren Berufsverlauf offen zu halten. Das KIT als Großforschungsinstitut sollte die gezielte Förderung von Frauen in Ausbildung, Forschung, Entwicklung und Lehre explizit in seine Zielsetzungen aufnehmen und sich selbst verpflichten, dafür geeignete Maßnahmen zur Umsetzung ergreifen. Wenn Frauen Forschung, Entwicklung und Lehre am KIT deutlich sichtbar aktiv mitgestalten und mit entscheiden, mit welchen Technologien welche Produkte für wen entwickelt werden können, wird auch die Technikakzeptanz steigen und der Technikdistanz bei Frauen entgegengewirkt.
Unabdingbar ist zudem die Schaffung von Strukturen, die die Vereinbarkeit von familiären Pflichten und wissenschaftlichen Tätigkeiten verbessern.
Zu 3.
Da das KIT als Plattform für große Innovationen insbesondere in wichtigen Schlüsseltechnolohgien fungieren soll, ist eine aktive Integration von Gender Dimensionen auch in Forschungsgegenstände, Fragestellungen und Erhebungsmethoden unerlässlich, wenn gesellschaftlich nachhaltige Ergebnisse erzielt werden sollen.
Die notwendige Transparenz bei Forschungsvorhaben, insbesondere hinsichtlich ihrer Geschlechterrelevanz ist sicherzustellen.
Dieser grundlegende Ansatz ist in der Satzung des KIT zu verankern.
Denn Energie-, Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik sind nicht geschlechtsneutral. Frauen sind auf vielfache Art involviert: als Produzentinnen, z.B. in der Landwirtschaft, als Konsumentinnen, als Energienutzerinnen, als Anwohnerinnen, als Entscheiderinnen, z.B. in der Kommunalpolitik – und von gesundheitlichen Folgen schädlicher Emissionen, Zusatzstoffe und gentechnisch veränderter Nahrungsmittel spezifisch betroffen.
Forschung, Entwicklung und Technologiepolitik erfordern grundlegend mehr Beteiligung von Frauen und ihrer Interessen:
– Eine generelle Integration von Frauen – sowohl als Technikgestalterinnen als auch als
Verbraucherinnen.
– Eine genderbewusste Besetzung von begutachtenden und entscheidenden Gremien.
– Eine verstärkte Beteiligung von Frauen bei der Schwerpunktsetzung im Bereich Forschung und Entwicklung, auch mit Blick auf die Technikfolgenforschung.
Ein besonderes Anliegen ist dem Landesfrauenrat, dass bei der von den Koalitionspartnern vereinbarten sozialen und ökologischen Modernisierung unseres Landes das Gender Mainstreaming aktiv umgesetzt wird. Die Verbindung einer ökologischen mit einer sozialen Modernisierung wird nur gelingen, wenn dieses Modernisierungsprogramm die Frage nach sozialen Rechten und Chancengleichheit für Frauen und Männer integriert und sich nicht beschränkt auf eine Verschiebung von Investitionen, Arbeitsplätzen und Wachstum in so genannte grüne Sektoren.
Die Verwendung einer geschlechtergerechten bzw. einer geschlechtsneutralen Sprache sollte selbstverständlich sein.
Wir bitten Sie eindringlich die genannten Zielsetzungen und Ansätze in die weiteren Beratungen aufzunehmen und entsprechende Formulierungen des Gesetzes vorzunehmen.“