Geschlechtsdifferenzierte quantitative und qualitative Erhebungen zu Armut und Reichtum in Baden-Württemberg – Gender Mainstreaming in der Armuts- und Reichtumsberichterstattung des Landes
Basierend auf der Ausarbeitung des Arbeitskreises „Wege aus der Frauenarmut“ , der von Juni 2012 bis Oktober 2013 arbeitete, fordern wir die Landesregierung und das Frauenministerium Baden-Württemberg, das Statistische Landesamt sowie weitere, mit der quantitativen und qualitativen Erhebung von Daten zu Armut und Reichtum im Land befasste Stellen auf:
Im Rahmen einer regelmäßigen Armuts- und Reichtumsberichterstattung des Landes sind grundsätzlich mehr nach Geschlecht und innerhalb dieser Kategorie nach weiteren sozio-demografischen Merkmalen differenzierte quantitative und qualitative Erhebungen zur Armut und ihren Folgen zu veranlassen bzw. durchzuführen.
Das Statistische Landesamt, die Familienwissenschaftliche Forschungsstelle, Universitätsinstitute sowie alle Behörden, die entsprechend relevante Daten erfassen, sind aufgefordert, von vornherein konsequent einen geschlechtsdifferenzierten Blick zu lenken auf
– die Armutsbetroffenheit,
– Armutsrisiken bzw.- Ursachen,
– Verarmungsrisiken verstärkende bzw. Armut verstetigende Faktoren,
– Folgen von Einkommensarmut
– sowie etwaige spezifische Ressourcen für Wege aus der Armut.
In dem vom Land Baden-Württemberg geplanten Armuts- und Reichtumsbericht sind die Daten grundsätzlich nach Geschlecht differenziert auszuweisen; ebenso in weiteren landesweiten Berichten, in denen soziodemografische Merkmale und soziale Lage mit erfasst werden, wie der Gesundheitsberichterstattung.
Im Besonderen betrifft dies folgende inhaltliche Schwerpunkte und Aspekte:
1. Kinder- und Jugendarmut
– Differenziert nach Geschlecht der Kinder und Jugendlichen.
– Nach Geschlecht differenzierte Daten auch zu in Deutschland geborenen Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund.
– Quantitative Erfassung von nicht oder nicht hinreichend bezahltem Kindesunterhalt in Einelternfamilien (zumindest in Form einer repräsentativen Stichprobe).
– Qualitative Erhebung der Armutssituation und der Armutsauswirkungen für Mädchen in
Familien in Hinblick auf die Ressourcenverteilung in Familien, Rollenverständnis und Aufgabenverteilung, sowie die für Selbstbild, Bildungs- und Berufswegentscheidungen relevanten Werte.
2. Gesundheit
Geschlechtsdifferenzierte Ausweisung von Ernährungs- und Gesundheitsverhalten bzw.
–Status, Gesundheitsrisiken und Resilienz. Die Gesundheitsberichterstattung des Landes muss konsequent nach Geschlecht differenzierte Armutsgesichtspunkte integrieren. Dies betrifft auch die Inanspruchnahme bzw. den Zugang zu so genannten IGEL-Leistungen und Vorsorge-untersuchungen.
3. Ländlicher Raum
Differenzierte Erfassung von Armutsindikatoren und – Auswirkungen nach Gemeindegrößen
4. Care
Angemessene Berücksichtigung der Übernahme privat geleisteter Sorgetätigkeiten (Kinderbetreuung, Angehörigen-Pflege) sowie der Care-Ökonomie (etwa auch der Ausgaben für Pflege) in der Armuts- und Reichtumsberichterstattung des Landes. Wer übernimmt innerfamiliär der-artige Aufgaben, zu welchen Bedingungen, in welchem Umfang und mit welchen Auswirkungen?
5. „Private Verschuldung“
Nach Geschlecht und Altersgruppen und nach Ursachen (z.B. Beziehungsschulden, Fremdschulden, Übernahmeschulden) differenzierte stichprobenartige quantitative und qualitative Erfassung.
6. Vermögensverteilung
Nach Geschlecht, Haushaltsform bzw. Familiengröße.