Am 8. März 2018 fand anlässlich des Internationalen Frauentages der Smartmob des Landesfrauenrates vor dem Landtag Baden-Württemberg statt. Ein 30 m langer pinkfarbener Laufsteg, in geordneter Parität bestückt mit jeweils einem Damen- und Herrenschuh, führte Richtung Landtag und symbolisierte die geforderte gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an der Landespolitik. Mit ihrer Teilnahme unterstützen zahlreiche Frauen und einige Männer die Forderung des Landesfrauenrates nach einer Wahlrechtsreform hin zu einer quotierten Landesliste.
Charlotte Schneidewind-Hartnagel, die Erste Vorsitzende des Landesfrauenrates Baden-Württemberg betonte in ihrer Begrüßung, dass die Reform des Landtagswahlrechtes keinen Aufschub mehr duldet,wenn sie zur nächsten Landtagswahl wirksam werden soll. Wörtlich sagte sie:
„Wir sind heute hier, weil wir als Frauen, BürgerInnen und WählerInnen die Reform des Wahlrechts einfordern und die Gesetzgeber mit einer quotierten Landesliste endlich die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, damit Frauen künftig angemessen die Politik im Landtag mitgestalten können. Vor genau 100 Jahren haben nach langem Kampf Frauenrechtlerinnen das Recht zu Wählen errungen. Heute geht es immer noch um die Umsetzung der Demokratie: in einer repräsentativen Demokratie sollte sich die Struktur der Bevölkerung auch im Landtag abbilden. Frauen stellen die Hälfte der Wahlbevölkerung, sie müssen auch die Hälfte der Mandate einnehmen können. Dafür muss der Gesetzgeber endlich Sorge tragen – mit einer Wahlrechtsreform rechtzeitig vor der nächsten Wahl, also JETZT!“
Auszüge aus den Beiträgen der weiteren Rednerinnen:
Staatssekretärin Bärbl Mielich MdL (Ministerium für Soziales und Integration)
„Eine Reform des Wahlrechts ist längt überfällig. Aber sie kann nur ein erster Schritt sein. Die gesamte Gesellschaft ist gefordert, wenn es darum geht, Gleichstellung in allen Lebensbereichen ganz selbstverständlich zu ermöglichen. Dazu gehört ganz klar auch, dass die politischen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege von Angehörigen sowohl Männern als auch Frauen gleichermaßen möglich gemacht wird. Das Ministerium für Soziales und Integration setzt in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf das Thema „Frauen stärken“. Dazu werden wir, auch gemeinsam mit dem Landesfrauenrat, verschiedenste Maßnahmen und Programme auf den Weg bringen und umsetzen.“
Marie-Luise Linckh (Präsidentin der AG der LandFrauen Verbände)
„Für die Arbeitsgemeinschaft der LandFrauenverbände in Baden-Württemberg mit 80.000 Mitgliedern sprechen wir uns für die Umsetzung einer Wahlrechtsreform aus, damit zukünftig mehr Frauen im Landtag vertreten sind. Wir begrüßen eine geschlechtergerechte Wahlrechtsreform.
Die Zeit ist reif! Parité und Quote sind entscheidende Schritte auf dem Weg zur Gleichberechtigung.
Dies muss auch unser Ziel für das Land Baden-Württemberg sein. Die Botschaft der LandFrauen ist: Künftig sollen mehr Frauen im Landtag vertreten sein. Der ländliche Raum darf bei einer Reform des Wahlrechts nicht benachteiligt werden. Deshalb soll die Vereinbarung im Koalitionsvertrag umgesetzt werden.“
Gabriele Frenzer-Wolf (Stellvertretende DGB Landesvorsitzende)
„Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Wahlrechtsänderung wird gegenwärtig zerredet. Die CDU-Fraktion blockiert jegliche Veränderung. Rechtspopulisten mit ihrem rückständigen Frauen- und Familienbild wollen die Teilhabemöglichkeiten von Frauen beschränken. Die gleichstellungspolitischen Erfolge der Vergangenheit werden wir ebenso unerbittlich gegen Rechtspopulismus und Antifeminismus auch von anderen konservativen Strömungen verteidigen wie die Ziele, die wir erreichen wollen! Frauen müssen entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil an politischen Entscheidungen beteiligt sein.“
Barbara Straub (Sprecherin LAG Kommunale Gleichstellungbeauftragte)
„Auch die Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten fordert, dass das Landtagswahlrecht endlich um eine Listenregelung mit Quotierung ergänzt wird.
Mit der einfachen Mehrheit im Landtag haben Grüne und CDU die Möglichkeit, den Koalitionsvertrag zu verwirklichen, das Wahlrecht zu ändern und den mageren Frauenanteil im Landesparlament zu erhöhen. Demokratie braucht Vielfalt – und wir Frauen wollen unseren Beitrag dazu leisten! Wir sind keine Minderheit, sondern mit 52% der Bevölkerung die Mehrheit. Nur wenn Frauen ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend in Parlamenten präsent sind, können sie zur Gestaltung der Lebenswirklichkeiten in angemessener Weise beitragen.“
Dr. Sandra Detzer (Landesvorsitzende Bündnis90/Die Grünen)
„‚Taten statt Worte!‘ war das Motto der mutigen Frauen, die vor hundert Jahren das Frauenwahlrecht erstritten haben. Taten statt Worte: Das gilt auch jetzt für die Reform des Landtagswahlrechts. Der baden-württembergische Landtag hat weniger Frauen als das afghanische Parlament. Wer jetzt noch davon redet, man könne Frauen auch irgendwie anders fördern, zementiert strukturelle Benachteiligung. Man kann Frauen fördern wollen – oder man kann es tun. Und zwar ganz konkret mit der Reform des Landtagswahlrechts. Das Innenministerium hat bestätigt, dass die Einführung der im grün-schwarzen Koalitionsvertrag vereinbarten Landesliste verfassungskonform ist. Baden-Württemberg darf nicht länger das traurige Schlusslicht beim Frauenanteil im Landtag bilden. Unsere vielfältige Gesellschaft hat eine angemessene Vertretung im Parlament verdient.“ Hier zu ihrem Interview
Susanne Wetterich (Bezirksvorsitzende der Frauen Union Nordwürttemberg)
„Die Frauen Union Baden-Württemberg macht sich schon seit Langem dafür stark, dass sich etwas ändert in Bezug auf den Frauenanteil unter den Abgeordneten im Landtag.
Dass unser Land in dieser Beziehung die Rote Laterne hat, ist beschämend und einem modernen und prosperierenden Land wie Baden-Württemberg nicht angemessen.
Wir wollen, dass der Landtag die Gesellschaft angemessen abbildet! Dazu gehören die Frauen dazu! Wir Frauen sind auch nicht irgendeine gesellschaftliche Gruppe, sondern die Hälfte!
Ein Kompromiss ist immer noch möglich. Hier sind alle gefordert! Deshalb möchte ich auch die anderen im Landtag vertretenen Parteien auffordern, Sorge zu tragen, dass in ihren Fraktionen der Gedanke einer Wahlrechtsreform auf fruchtbaren Boden fällt!“
Andrea Schiele (Erste Vorsitzende des Landesvorstands der AsF)
„Wenn Frauen mit über 50 % der Bevölkerung lediglich 10-30 % der Entscheiderinnen in den Parlamenten stellen, dann kann diese Demokratie nicht länger für sich beanspruchen, repräsentativ zu sein.
Die Verfügung über Ressourcen (Geld) und Macht schafft Gestaltungsmöglichkeiten. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt: Ohne gleichberechtigte Parlamente keine gleichberechtigte Gesetzgebung – und keine gleichberechtigte Gesellschaft. Eine gleichberechtigte politische Teilhabe ist Voraussetzung für Gleichberechtigung schaffende Gesetze. Wir fordern weiterhin unser Recht ein – und diese Veranstaltung hier ist ein klares Signal an die Politik: In Baden-Württemberg ist eine Reform des Wahlrechts in ein Listenwahlrecht längst überfällig. Die ASF Baden-Württemberg ist weiterhin davon überzeugt, dass ein Zwei-Stimmen-Wahlrecht wie bei der Bundestagswahl der richtige Weg wäre. Um den Frauenanteil dannaber auch nachhaltig erhöhen zu können, ist auf Bundesebene ein Parité-Gesetz notwendig, welches alle Parteien zu einer verbindlichen Nominierung von Frauen verpflichtet.“
Saskia Ulmer (Zweite Vorsitzende LFR) konnte bei ihrem Schlußwort den Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, Dr. Wolfgang Reinhart, begrüßen, der zufällig des Weges kam. Sie rief ihm direkt zu: „Wir alle hier fordern ein Wahlrechtsreformgesetzt JETZT“
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100 Jahre Frauenwahlrecht – der lange Kampf der Frauenrechtlerinnen wurde 1918 endlich von Erfolg gekrönt. Doch auch hundert Jahre später sind Frauen in der Politik noch häufig unterrepräsentiert. Der Landtag von Baden-Württemberg hat beim Frauenanteil die rote Laterne unter den Bundesländern, lediglich 25,9 Prozent der Abgeordneten sind weiblich. Aber auch junge Menschen und Baden-Württemberger*innen mit Migrationsgeschichte sind im Landesparlament spärlich vertreten.
Seit langem fordert der Landesfrauenrat mit allen seinen Mitgliedsverbänden, zivilgesellschaftliche Initiativen und Parteien eine Wahlrechtsreform für Baden-Württemberg hin zu einem Listenwahlrecht wie in fast allen anderen Bundesländern und bei der Bundestagswahl. Das bisherige Wahlrecht, bei dem die Abgeordneten alleine über die Wahlkreisergebnisse in den Landtag kommen, bevorzugt „Platzhirsche“ und erschwert eine gerechte Repräsentation der Bevölkerung. Grüne und CDU haben sich im Koalitionsvertrag auf eine Wahlrechtsreform verständigt – nun ist es an uns allen, unsere Unterstützung für die Reform in die Öffentlichkeit zu tragen.
Bisherige Anstrengungen des LFR zur Wahlrechtsreform finden Sie unter unseren Top Themen hier.