Stuttgart (dpa/lsw) – 50 Jahre nach seiner Gründung sieht der Landesfrauenrat Baden-Württemberg seine selbstgesteckten Ziele noch längst nicht erreicht. «Der Anlass für die Gründung war das verheerende Ergebnis der Landtagswahl, dass nur noch eine Frau in den Landtag eingezogen ist. Und wir haben das Wahlrecht immer noch nicht verändert», erklärte die Vorsitzende, Charlotte Schneidewind-Hartnagel, vor der Jubiläumsfeier an diesen Samstag (29. Juni) in Stuttgart. Nur knapp ein Viertel der Abgeordneten in Baden-Württemberg sind Frauen – in Thüringen sind es im Vergleich mehr als 40 Prozent.
«Das ist für uns immer noch eines der großen Defizite in Baden-Württemberg, dass wir es nicht schaffen die Parlamente geschlechtergerecht zu besetzen.» Der Verband möchte weg vom Einstimmenwahlrecht und hin zum Listenwahlrecht, um Parität durchzusetzen. 1969 wollten die damaligen Frauenverbände mit einem Landesfrauenratden Frauen im Südwesten eine politische und außerparlamentarische Stimme geben – nachdem bei der Landtagswahl ein Jahr zuvor nur eine einzige Frau ins Parlament eingezogen war.
Annemarie Engelhardt war von 1994 bis 1999 Vorsitzende. «Das Thema Frauen in den politischen Entscheidungsgremien war mein persönlich großes Thema», erzählt sie. «Wenn wir da nicht ausreichend vertreten sind, dann wird sich vieles nicht ändern.»
Der Rat ist eine Nichtregierungsorganisation und vertritt die Belange von Frauen gegenüber Landesregierung, Wirtschaft und Gesellschaft. Aus ursprünglich 32 Mitgliedsverbänden wurden 52 – unter ihnen die Landfrauen, die Frauenorganisationen der Parteien und der Ingenieurinnenbund. Bestimmende Themen sind der Vorsitzenden zufolge bis heute Gewalt gegen Frauen, Existenzabsicherung und Frauen in Führungspositionen geblieben.
Ein aktuelles Thema ist der aufkeimende Antifeminismus: «Wir sehen einen großen Rollback was die Frauenrechte betrifft aus einer bestimmten politischen Ecke», so die aktuelle Vorsitzende. Sie fürchtet, dass sich Wortwahl und Verhalten mancher AfD-Abgeordneter im Landtag auch in größeren Teilen der Gesellschaft breit machen könnten: «Wir hören jetzt zum Teil „Gender Gaga“ als Bezeichnung für das, was wir als frauenpolitische Maßnahmen und Zugeständnisse sehen.» Die Frauenrechtlerinnen wollen und werden sich nichts wegnehmen lassen, was sie jahrzehntelang erkämpft haben, wie Schneidewind-Hartnagel erklärte.
Bei der Recherche für ihre Rede beim Jubiläums-Festakt ist sie auf ein Zitat der ersten Vorsitzenden und Mitgründerin Renate Bran gestoßen: «Es muss unser wichtigstes Bestreben sein, einen Frauenrat überflüssig zu machen, weil letztlich alle Frauenfragen gesellschaftliche Angelegenheiten sind.»