Kandidatinnen und Kandidaten
Knapp 74 % der Mandate im baden-württembergischen Landtag haben derzeit (16. Wahlperiode) Männer inne – sie nehmen 105 von 143 Sitzen ein. Geht es um die Vertretung von Frauen in der Politik, zählt der baden-württembergische Landtag unter allen deutschen Länderparlamenten zu den Schlusslichtern. Gleichzeitig ist das Stuttgarter Parlament der einzige deutsche Landtag, in dem noch nie ein Anteil von wenigstens 30 % Parlamentarierinnen erreicht wurde. Auf eine weibliche Abgeordnete kamen und kommen im Ländle mindestens drei männliche Kollegen.
Die parlamentarischen Entscheidungen im Land wurden damit seit dessen Gründung stets von einer großen Mehrheit männlicher Volksvertreter getroffen. Eine gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen war in Baden-Württemberg in bislang jeder Wahlperiode ein Fremdwort.
Dies hängt auch mit dem spezifischen Landtagswahlrecht in Baden-Württemberg zusammen: Die Wählerinnen und Wähler verfügen bei Landtagswahlen nur über je eine Stimme. Diese geht direkt an den Kandidaten oder die Kandidatin des Wahlkreises. Die Entscheidung, wer in einem Wahlkreis kandidiert, haben im Vorfeld die Parteimitglieder des Wahlkreises bestimmt. Das Anliegen, Frauen im Landtag angemessen zu repräsentieren, steht bei dieser Entscheidung nur bei wenigen Parteien im Vordergrund.
Anders als in allen anderen Bundesländern gibt es in Baden-Württemberg keine Zweitstimme, mit der eine Liste gewählt werden kann. Landesweite Listen aber können von den Parteien quotiert werden, etwa nach dem Reißverschlussprinzip: Auf jede Bewerberin folgt ein Bewerber – oder umgekehrt. Dies sieht das baden-württembergische Landtagswahlrecht nicht vor.
Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg hat vor diesem Hintergrund den Nominierungsprozess für die Landtagswahlen 2021 kritisch beobachtet und analysiert. Ein Ergebnis ist die in Kooperation mit dem Fachbereich Frauen und Politik der Landeszentrale für politische Bildung organisierte Transparenzkampagne „Mehr Frauen ins Landesparlament“ zur Landtagswahl am 14. März 2021.
Auf der Wahlkreis-Landkarte können Sie erkennen, wie viele Kandidatinnen und Kandidaten in den einzelnen Wahlkreisen antreten. Kandidaten sind einheitlich grau eingefärbt, Kandidatinnen werden entsprechend ihrer Parteizugehörigkeit farbig präsentiert (schwarz: CDU, grün: Bündnis 90/Die Grünen, rot: SPD, gelb: FDP, dunkelrot: Die Linke, blau: AfD).
So ist auf einen Blick erkennbar, welche Wahlkreise sich bei den Kandidierenden „bunt“ aufstellen und wo eine Wahl zwischen Männern und Frauen oder auch zwischen Kandidatinnen verschiedener Parteien möglich ist.
Erkennbar ist aber auch, wo es im Jahr 2021 noch immer einheitlich grau aussieht: So wurde in 10 der 70 Wahlkreise von keiner der aussichtsreichen Parteien auch nur eine Frau nominiert. In diesen Wahlkreisen haben Wählerinnen und Wähler damit keine Chance, eine Frau in den Landtag zu wählen.
Anteil der Erstkandidatinnen bei den sechs aussichtsreichsten Parteien bei der Landtagswahl am 14. März 2021
Bündnis 90/Grüne: | 32 von 70 Nominierten | = 45,7 % Frauenanteil |
SPD: | 25 von 70 Nominierten | = 35,7 % Frauenanteil |
Die LINKE: | 23 von 70 Nominierten | = 32,8 % Frauenanteil |
CDU: | 22 von 70 Nominierten | = 31,4 % Frauenanteil |
FDP/DVP: | 15 von 70 Nominierten | = 21,4 % Frauenanteil |
AFD: | 4 von 70 Nominierten | = 5,7 % Frauenanteil |
Ein klares Bild: Männliche Kandidaten sind bei weitem in der Mehrheit. Bei den Grünen stellen sie gut die Hälfte, bei den weiteren Parteien liegt der Männeranteil bei gut zwei Dritteln bis sogar über 90 Prozent der Kandidierenden.
Bereits vor den Landtagswahlen 2021 ist deshalb folgende Aussage möglich:
Der baden-württembergische Landtag wird auch in der neuen Wahlperiode eine deutliche Männer-Dominanz aufweisen. Angesichts dieser Ausgangslage ist eine gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen im Landesparlament schwer möglich. Mehr Geschlechter-gerechtigkeit im Landtag setzt sicher eine Reform des Landtagswahlrechts voraus. Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg fordert dies bereits seit mehreren Jahrzehnten.
Die Liste der Kandidierenden macht anhand farblicher Markierungen deutlich, in welchen Wahlkreisen 2021 Frauen kandidieren. Zusätzlich zeigt sie, wo bereits 2016 Kandidatinnen angetreten waren und in welchem Wahlkreis 2021 ein Kandidat zur Wahl steht, wo 2016 eine Frau angetreten war oder umgekehrt.
Den Wahlprogramm Check mit den wichtigsten frauenpolitischen Forderungen der Mitgliedsverbände des Landesfrauenrates Baden Württemberg finden Sie hier.
Transparenzkampagne zur Landtagswahl 2021