1969 Gründung
Landtagswahl 1968: Nur eine einzige Frau zog in den Landtag ein. Dies bildete den »Gründungsfunken« für die damaligen Frauenverbände, mit einem Landesfrauenrat den Frauen in Baden-Württemberg ab 1969 eine politische und außerparlamentarische Stimme zu geben.
Im Gründungsjahr formuliert Renate Bran, die erste Vorsitzende das Ziel für den Landesfrauenrat: »Es muss unser wichtigstes Bestreben sein, einen Frauenrat überflüssig zu machen. Weil letztlich alles Frauenfragen gesellschaftliche Angelegenheiten sind.« Überflüssig ist der Landesfrauenrat 50 Jahre später immer noch nicht, und das hat auch mit einem zentralen Thema zu tun, das zum Gründungsfunken wurde: Die Unterrepräsentanz von Frauen im Landtag und anderen politischen Gremien.
1970er Jahre
Frauenpolitik wird hauptsächlich als Familienpolitik verstanden. Im Jahr der Frau 1975 findet am 8. März eine öffentliche Großveranstaltung des LFR unter dem Motto »Frau und Familie« in Stuttgart statt. Neben familienpolitischen Fragen wie der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, dreifach Belastung von Frauen und der Rollen-verteilung zwischen den Geschlechtern in der Familie, rücken auch sozialpolitische Themen wie die Absicherung von Frauen im Alter in den Mittelpunkt.
1977 wird ein neues Ehe- und Familienrecht verabschiedet und damit der Gundgesetzartikel § 3 Satz 2 »Männer und Frauen sind gleichberechtig« weiter umgesetzt. Mit dem »Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts« wird die »Hausfrauenehe« (Verpflichtung der Frau zur Haushaltsführung und Kindererziehung) abgeschafft.
1980er Jahre
1980 Landesfrauenrat wird Mitglied im Beirat für Frauenfragen, der als Beratungsgremium für die Landesregierung insbesondere das neu eingerichtete Referat »Angelegenheiten der Frau in Familie, Beruf und Gesellschaft — Frauenreferat« im Ministerium für Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung dient. Der Landesfrauenrat fordert eine Frauenbeauftragte der Landesregierung. Erst nach der Landtagswahl 1996 wird mit Einsetzung von Johanna Lichy MdL als Staatssekretärin im Arbeits- und Sozialministerium und zugleich Frauenbeauftragte des Landes, dieses Amt besetzt.
1986
LFR-Kongress: »Frauen in der Gesellschaft von morgen« zusammen mit der Landeszentrale für politische Bildung
Die überwiegende Mehrheit der 1.500 Frauen spricht sich für die Quotenregelung, d.h. die paritätische Besetzung von Kandidatenlisten
für politische Wahlen, aus. Weitere Themen der Arbeit waren Frauen
im Berufsleben (u.a. gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Wiedereingliederung in den Beruf, Teilzeitarbeit für Frauen) und Frauen in Konfliktsituationen (Hilfe durch Frauenhäuser und ihre Finanzierung).
Zum Entwurf der (1987 in Kraft getretenen) »Leitlinien zur Förderung von Frauen im Dienst des Landes Baden-Württemberg« stellt der LFR zum Thema Arbeitszeit und Führungspositionen fest: »Nur wenn Teilzeitarbeitsplätze gleiche Aufstiegs- und Leitungsfunktion wie Vollzeitarbeitsplätze haben, werden in Zukunft auch Männer von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Dies erscheint uns zur Verwirklichung einer partnerschaftlichen Ehe und damit der Übernahme von Familienpflichten durch Männer dringend erforderlich.« (LFR-Stellungnahme 19.09.1986)
1990er Jahre
Im Fokus der Arbeit stand die gesetzliche Verankerung von Frauenpolitik auf Landesebene. Dazu gehörten Forderungen nach einem angemessen ausgestatteten Frauenministerium (1992) und — als strukturelle Rahmenbedingung für mehr politische Partizipation — nach Frauenmindestquoten für Gremien und Institutionen des Landes
(ab 1992) sowie erneut nach einem neuen Landtagswahlrecht (ab
1993, nach der Landtagswahl 1992 betrug der Frauenanteil magere
11 %!) Forderungen, die seitdem wiederholt vorgetragen werden mussten, ebenso wie die Forderung nach gesetzlicher Verankerung hauptamtlicher Frauenbeauftragter für die Kommunen (ab 1991).
1994
1994 und 1998 lud der LFR zu Landestreffen kommunalpolitisch aktiver Frauen — jeweils im Haus des Landtags ein, um die Kommunalpolitik zu fördern.
25. November 1994
25 Jahre Landesfrauenrat Baden-Württemberg: »Auf dem Weg zur Partnerschaft. Gleichberechtigt auf allen Ebenen in Bund, Land und Kommune«
Die Publikation »Wer sich engagiert — verändert!« Die Geschichte des Landesfrauenrats von Bea Dörr und Ulla Siebert erscheint 1996. Das Buch dokumentiert anschaulich und eindrucksvoll die Gründungsgeschichte und die Entwicklung der Organisationsstruktur sowie die inhaltlichen Debatten bis 1996.
1995
»Wir sind auf dem Laufenden und machen der Landesregierung Beine …«
Der Landesfrauenrat fordert ein wirksames Gleichberechtigungsgesetz mit einem Staffellauf im Juli 1995 als »lila Spur« quer durchs Land Baden-Württemberg. Von Waldshut-Tiengen bis Stuttgart geht der Lauf, auf dem 5.000 Unterschriften gesammelt werden. Die Unterschriften mit der Forderung nach einem Gleichberechtigungsgesetz und ein lila Kabinetts-Fahrrad werden am 19. Juli 1995 an Staatsminister Dr. Erwin Vetter übergeben.
1996
Am 8. März 1996 war der Landtag in Frauenhand. Unter dem Motto »Wählerisch?« lud der LFR mit Kooperationspartner zum Aktionstag für Erst- und Jungwählerinnen in den Landtag ein. 1.000 junge Frauen sorgten für Aufbruchsstimmung im sonst überwiegend männlich besetzten Landtag (130 Männer und 16 Frauen).
1999
Plakataktion zur Kommunalwahl
2000er Jahre
Die Landesregierung Baden-Württemberg hat am 9. Juli 2002 beschlossen, das Prinzip des GenderMainstreaming in der Landesverwaltung umzusetzen. Der LFR mahnt nicht nur in allen seinen Stellungnahmen die Umsetzung dieses Prinzips an, sondern erinnert auch an die Intention des Gender Mainstreaming als aktives Gestaltungsprinzip für demokratische Geschlechterverhältnisse in Europa. Dabei geht es nicht darum »Frauenpolitik oder Frauenförderung« abzuschaffen, sondern zur Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern sämtlich allgemeine politischen Konzepte und Maßnahmen einzuspannen, indem nämlich die etwaigen Auswirkungen auf die Situation der Frauen bzw. der Männer bereits in der Konzeptionsphase aktiv und erkennbar integriert werden.
Dazu gehört beispielsweise auch die Berufswahl, daher war der LFR für eine Berufsorientierung von Mädchen in zukunftsträchtige IT-Berufe — »Girls go for IT«; Hunderte von Schülerinnen besuchten zwischen 2000 und 2002 die Tagungen des LFR und beteiligten sich am Wettbewerb »Girls go for IT«.
»Stühle frei für Frauen!« 3. Landestreffen von Kommunalpolitikerinnen und an Kommunalpolitik interessierter Frauen im Haus des Landtages in Stuttgart. Das Engagement für Frauen in der Kommunalpolitik zieht sich all die Jahre durch die Arbeit des LFR. Immer wieder werden Vernetzungstreffen organisiert zur Stärkung der Frauen, die sich kommunalpolitisch engagieren.
2002
Erneut ist ein besseres Landesgleichberechtigungsgesetz Thema einer Aktion des LRF. Zusammen mit dem DGB fordert der LFR mit einer Unterschriftenaktion zum 50jährigen Jubiläum des Landes Baden-Württemberg ein Landesgleichberechtigungsgesetz mit Biss!
Doch erst 2005 wird das »Gesetz zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg« (Chancengleichheitsgesetz) verabschiedet.
2008
2008 — »Stühle frei für Frauen!« im Landtag
2008 — 3. Landestreffen »Stühle frei für Frauen!«
2010er Jahre
2010 — 4. Landestreffen des LFR und seiner Bündnispartnerinnen für kommunalpolitisch interessierte Frauen
Die Forderungen des LFR haben auch in diesen Jahren das immerwährende Thema nach mehr Mitbestimmung im Landtag und in Kommunalpolitik (Parität in allen politischen Gremien). Mit dem Aufkommen vermehrter rechtspopulistischer Strömungen in Gesell-
schaft und Politik vor allem ab der Mitte des Jahrzehnts, müssen erreichte Frauenrechte stärker verteidigt werden. Der LFR wirbt für eine offene Gesellschaft und positioniert sich immer wieder gegen »rechts«.
2011
100 Jahre Internationaler Frauentag
Mit einer Broschüre, die Schlaglichter der Geschichte des Internationalen Frauentages zeigt, die Wahlprüfsteine des Landesfrauenrates für die Landtagswahl am 27. März 2011 und eine Veranstaltungsübersicht enthält, weist der LFR auf die immer noch aktuellen Forderungen hin.
Einige noch heute aktuelle Forderungen seien erwähnt:
- Gesetzliche Verankerung kommunaler Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte: Hier hauptamtliche Frauenbeauftragte in Stadt- und Landkreisen sowie in Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern. Mit der Novellierung des Chancengleichheitsgesetzes im Jahr 2016 wird nur Kommunen ab 50.000 Einwohner*innen und Landkreise die Einsetzung einer kommunalen Gleichstellungsbeauftragten vorgeschrieben.
- Arbeistmarkt- und Wirtschaftspolitik unter dem Einsatz von Gender Mainstreaming: Hier Schaffung von sozialer Infrastruktur (z. B. Kinderbetreuung) vor allem im ländlichen Raum.
- Wirksame Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen: Hier landeseinheitliche Finanzierungsstruktur der Frauenhäuser in Baden-Württemberg zur Sicherung der Existenz der Frauenhausplätze.
2012
60 Jahre Frauenpolitischer
Aufbruch in Baden-Württemberg — Rück- und Ausblicke
Anlässlich des 60jährigen Landesjubiläums wirft der LFR mit seinen Kooperationspartnerinnen und Mitgliedsverbänden einen Blick auf 60 Jahre Frauengeschichte als Partizipationsgeschichte in Baden-Württemberg: Die Zeichen stehen auf »Start« … — Frauen schreiben Geschichte
Die »To Do Liste Frauenpolitik in Baden-Württemberg« enthält einige Dauerbrenner:
- Quotierung im Kommunalwahlgesetz — Paritégesetz
- Frauenmindestquote im Landtagswahlgesetz
- Landesförderung für das Frauenarchiv BAF e.V. in Tübingen
- Hauptamtliche Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte in allen Gemeinden ab 10.000 Einwohnern
- Beseitigung des Gender Pay Gap
- Abschaffung des Ehegattensplitting
- Eigenständige Existenzsicherung jeden Partners
- Schutz für die Opfer häuslicher Gewalt: Frauenschutzhäuser, Notruftelefone, Beratungsstellen — gesicherte Finanzierung
- Gendergerechte Gesundheitsforschung, Berichterstattung, Versorgung Höhere Landesförderung für den Landesfrauenrat
Begleitet wird dieses Jubiläum von Kampagnen zur Forderung nach Parität im Landesparlament und in den Kommunen, die kommenden Wahlen fest im Blick.
2016
Mit der LFR-Aktion #diehälfte wurde den Koalitionspartnern über die Sozialen Medien ein klares Signal gesendet:
- die Hälfte der Ministerien muss an Frauen gehen und
- ein Zweistimmen-Landtagswahlrecht mit Liste muss her!
Und in der Pressemitteilung erkennt der LFR an, dass mit der Besetzung der Ministerien so viele Frauen wie nie zuvor Regie-
rungsverantworten in Baden-Württemberg übernehmen. Eine Landtagswahlrechtsreform ist im Koalitionsvertrag ebenfalls verankert.
2017
RotlichtAus — Kampagne gegen Sexkauf
Bezahlsex zerstört Leben. Dazu entwickelten der LFR und Sisters e.V. ein Plakatkampagne sowie eine Plattform auf der alle Anstrengungen gegen Prostitution in Deutschland sichtbar gemacht werden können. »Wir träumen von einer Gesellschaft, in der Frauen nicht wie Ware verkauft werden. Gemeinsam können wir das Ziel erreichen«. Infos unter www.rotlichtaus.de.
2018
Mit dem Smartmob »Den Landtag in Bewegung bringen — Landtagswahlrechtsreform jetzt« protestiert der LFR mit einem breiten Bündnis (LandFrauen Verbände, DGB, LAG, Frauenunion, AsF, Bündis90/die Grünen und Staatssekretärin Bärbl. Mielich MdL) gegen das Scheitern der Landtagswahlrechtsreform an der CDU-Fraktion und fordert eine quotierte Landesliste, damit endlich die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, damit Frauen angemessen die Politik im Landtag mitgestalten können.
2019
Der LFR hat sich maßgeblich an der Kampagne »100 Jahre Frauenwahlrecht — 100 Jahre Frauen in der Politik« in Baden-Württemberg beteiligt. Unter dem Motto »Frauen wählen — Frauen zählen« fanden hunderte Veranstaltungen im Jubiläumszeitraum 2018/2019 im gesamten Land statt. Ein Höhepunkt war der Festakt am 12. Januar 2019 im Landtag, anlässlich des ersten Urnenganges von Württembergerinnen am 12. Januar 1919. Über 500 Frauen beteiligten sich an der vom LFR mit Kooperationspartnern organisierten Veranstaltung und stellten zum Abschluss drei zentrale Forderungen:
- Geschlechter-Parität in allen gesellschaftlichen Bereichen: Erwerbsarbeit, staatsbürgerliche Betätigung, politische Ämter und Funktionen
- Paritätische Landtagswahllisten und
- Abschaffung des Ehegattensplittings.
Unser Europa — Frei, gleich gerecht. Mit der Wahlkampagne zur Europawahl 2019 warb der Landesfrauenrat dafür, mit der Wahlentscheidung die Voraussetzungen für ein freies, gleiches und gerechtes Europa zu schaffen. Die Gleichstellung von Frauen und Männern gehört zu den Grundwerten der Europäischen Union. Gleichberechtigter Zugang zu Bildung, gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit und geschlechtergerechte Gesundheitsvorsorge sowie Schutz vor Gewalt und ein Leben in Frieden, Sicherheit und Würde sind für Frauen in Europa keine Utopie, sondern bestimmen eine Politik für gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen.
Die Akteurinnen des Landesfrauenrats
Vorsitzende des Landesfrauenrats Baden-Württemberg seit 1969